Toni Roos an Sohn Günther, 5. April 1945
14. Ludwigsburg d. 5/4.45.
Mein lieber Günther!
Wir räumen und hauen ab nach Riedlingen a. d. Donau.
Von dort gehe ich nach Denkingen denn hier ist schon alles liquidiert. Das Ende was ich seit August vergangenen Jahres habe kommen sehen und was ich Dir auch s. Zt. schon zur Kenntnis brachte ist da.
Du hast mich damals als ungehörigen Pessimisten bezeichnet, aber mein lieber Junge es gehört sich etwas mehr dazu als das Abitur eine Lage mit klarem Verstand zu beurteilen und auch bei einer „undurchsichtigen“ Propaganda den Finger am rechten Loch zu haben.
Du hast die Angelegenheit vom propagandistischen Standpunkte aus beurteilt, wogegen ich die Sache vom rein rechnerisch-kaufmännischen Standpunkte aus betrachtet habe.
Was ich am meisten bedauere ist, daß man heute sogar zum verwerflichsten Mittel, nämlich
zum Partisanenkampf aufruft. Wie Du als Soldat darüber denkst weiß ich nicht, aber ich weiß nur eines, daß wir sowohl in Frankreich als auch in Rußland diese Tätigkeit mit „Pfui Teufel“ bezeichnet haben. Ein Heckenschütze bleibt ein Heckenschütze und wenn man sogar noch halbwüchsige Knaben u. Mädel dazu auffordert, muß es schon verdammt faul sein im Staate. Im besetzten Gebiet haben wir für jeden Überfall, zwanzig, dreißig und mehr Geisel an die Wand gestellt. Verflucht noch mal, will man denn bewußt das ganze Volk ins Elend stürzen? Ich habe manchmal das Gefühl in einem Irrenhaus zu sitzen, denn anders kann ich mir die Sache nicht erklären. Wie denkt denn eigentlich ein anständiger Offizier über diese Sachen? Die Bonzen bauen ab und die Masse kann es auslöffeln. Heute stehen die Feinde in Gotha Weimar etc. und morgen oder übermorgen trotz heftiger Abwehrerfolge wieder 20-30 km weiter und wenn man dann die Herrn im Rundfunk hört ist alles zu unseren Gunsten so gekommen. Es ist das Gleiche wenn der hl. Vater einem Pfaffen einen Tritt ins Kreuz gibt und der Pfaffe fühlt sich auf Grund dessen hochgeehrt und sieht einer rosigen Zukunft
Mein lieber Günther wir wollen uns darüber im Klaren sein, daß das Ende und zwar das bittere Ende vor der Türe steht.
Jetzt heißt es den Kopf nicht verlieren und klar denken, denn es ist eine alte Tatsache, daß nach jedem Absturz wieder ein Aufstieg kommt und daß die Zeit für uns arbeiten wird und daß Deutschland niemals untergehen kann. Aus tiefster Erniederung kommt immer wieder eine bessere Zeit, aber man darf die Sache nicht über das Knie brechen und den richtigen Zeitpunkt abwarten, ist mehr wert als kopflos handeln.
Mein lieber Günther! Hoffentlich werden wir uns bald wiedersehen und dann wollen wir mal sehen was sich machen läßt.
Du kommst nach Denkingen von wo wir sehen, was zu machen ist. Also lieber Günther alles Gute und recht herzliche Grüße
Vater