Elisabeth Roos an Sohn Gustav, 29. August 1939
Brühl den 29. Aug. 39.
Mein lieber Gustav!
Bin heute schon wieder 8 Tage zu Hause und warte von Tag zu Tag auf Nachricht von dir. Freitag vor 8 Tagen bekam ich einen Brief von dir in Trier aber es war nur ein leeres Couvert, wie kam daß, hattest du vergessen den Brief einzustecken. Am Tage vorher hatte ich dir die Quetsch geschickt die du doch hoffentlich bekommen hast. Vorige Woche haben wir nun bis Mittwoch auf Post von dir gewartet, dann sind wir Mittwoch nachmittag abgereist, weil sich die politische Lage immer mehr zuspitzte und die Leute in Trier anfingen zu packen. Als ich nun in Brühl ankam erfuhr ich daß du Sonntags zu Hause warst, es hat mir nun sehr leid getan daß ich nicht da war, aber die Omas sagten daß du guter Dinge gewesen bist, und es wäre dir auch nichts abgegangen, du wärest gestärkt nach Much abgefahren, nach dem du vorher noch eingebrochen hast, aber es ist alles wieder in Ordnung. Da Tante Agnes dir versprochen hatte dich noch einmal zu besuchen und ich auch Sehnsucht nach dir hatte so hatten wir beschlossen dich Sonntag in Much zu überraschen. Morgens sind wir wie immer um 8 Uhr von Brühl abgefahren, aber leider hatte der Zug ungefähr eine Stunde Verspätung infolgedessen verpassten wir den Anschluss in Köln-Deutz. Da der nächste Zug erst mittags fuhr wir aber unbedingt nach Much wollten, so fuhren wir sofort weiter bis Siegburg und von dort wollten wir dann weiter sehen. Als wir nun in Siegburg auf dem Bahnsteig standen sahen wir einen Arbeitsmann mit der Nummer 5/318. Ich sprach ihn nun sofort an und hörte nun von ihm daß das Lager bereits geräumt war, und ihr Samstag abend in Overath verladen wurdet,
wahrscheinlich nach dem Westen. Du kannst dir ja denken wie mir da wurde, das brauche ich dir nicht zu schreiben. Tante Agnes wollte nun nicht daß ich noch mal nach Much fahren sollte an das leere Lager, ich hätte es aber auch nicht mehr gekonnt, so sind wir dann mit dem Arbeitsmann nach Köln gefahren, der war aus Essen und in eurem Lager in Trupp 10 aber er kannte dich wenn auch nicht mit Namen. Ich habe ihm Grüße bestellt, falls er wieder zu euch zurück kam. Das war mein Sonntagserlebniss, voller Erwartung sind wir abgefahren, und wie wurden wir enttäucht. Seitdem warte ich nun jeden Tag auf Post von dir, solltest du den Brief erhalten den ich an deine alte Adresse sende so schreibe mir bitte sofort damit ich beruhigt sein kann. Wenn ich dir ein Paket schicken darf so schreibe es mir denn ich habe noch allerhand hier was wir dir Sonntag mitbringen wollten. Hoffentlich hast du es gut angetroffen und bist du nicht so weit weg von hier daß wir uns bald wiedersehn. Von Vater erhielt ich eine Karte er schrieb mir daß 2 Briefe von dir angekommen wären nachdem wir weg waren, ich weiß nun nicht was du geschrieben hast. Also, schreibe mir sofort, wenn es dir möglich ist einen ausführlichen Brief, sonst nur eine Karte damit ich weiß wo du bist. Wie ist denn deine Meinung über die politische Lage, hoffentlich geht es noch einmal gut wir dürfen ja die Hoffnung noch nicht aufgeben, ein Krieg wäre ja furchtbar, die meisten Leute glauben ja noch an eine friedliche Lösung. Vater glaubt auch nicht an Krieg. Wie geht es dir dann noch, bisst du noch gesund und munter? schreibe mir bitte sofort auch ob ich dir etwas schicken darf. Also mein lieber Gustav Kopf hoch, es wird wohl noch einmal gut gehen, ich bin in Gedanken immer bei dir. Schreibe mir bitte, es grüßt u. küsst dich herzl. deine Mutter.