Elisabeth Roos an Ehemann Toni, 22. Oktober 1942
Brühl, den 22.10.42
Mein lieber Tony!
Deinen Brief vom 16.10. habe ich heute dankend erhalten. Daß du von mir lange nichts mehr gehört hast ist schon möglich, denn ich habe dir seit 14 Tagen nicht mehr geschrieben, weil ich dich erwartete. Günther war schon ganz geknickt daß du nicht gekommen bist, aber ich bin es noch viel mehr, weil Günther weg ist, und du nicht in Urlaub kommst. Nun bist du fast 8 Monate fort. Es ist mir furchtbar schwer gewesen als Günther weg mußte, und auch heute ist es mir noch furchtbar allein zu sein, ich hatte dich doch bestimmt erwartet. Was hast du denn in Paris getan, du schreibst nichts davon, hängt deine Versetzung denn davon ab? So lange warst du noch nie von Hause fort, und ich hoffe doch bestimmt daß du bald kommst. Was sagst du dazu daß Günther nun zur Nebeltruppe gekommen ist? ich könnte nicht sagen daß mir das recht ist, denn man weiß gar nicht was das eigentlich ist. Weiß du es, dann schreibe mir doch mal, ich habe auch Gustav danach gefragt, und bin mal gespannt was er mir davon schreibt. Und dann ausgerechnet nach Bremen mußte Günther kommen, wo auch immer die Angriffe sind. Ich habe schon die erste Post von ihm bekommen, aber er kann ja noch nicht viel schreiben in den paar Tagen. Ich bin gespannt wie es ihm bei der Wehrmacht gefällt, beim R.A.D. hat es ihm sehr gut gefallen, er hatte es aber auch sehr gut dort gehabt, und sah sehr gut aus, war groß und dick geworden. Nun muß ich mir auch Sorge um Günther machen wo er Soldat ist und auch noch nach Russland kommen kann. Von Gustav habe ich gestern wieder Post bekommen vom 15.10. er hatte den Brief einem Urlauber mitgegeben. Es geht ihm noch gut, und er ist noch immer beim Btl. Hoffentlich bleibt er noch da, er denkt um Weihnachten herum in Urlaub zu kommen, entweder vorher, oder nachher. Na dann wirst du ja auch hier sein,
und hoffentlich auch Günther. Wir haben vorige Woche einen furchtbaren Angriff mitgemacht, und zwar in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, es war die schlimmste Nacht die wir bisher erlebten, in Brühl und Umgegend hat bestimmt jeder gedacht, ob wir noch mal lebend aus dem Keller kommen. In Köln selbst war nicht viel los, diesmal galt es der Umgebung von Köln. In der Umgebung von Brühl sind allein 3 Lufmienen heruntergekommen, eine Anzahl Sprengbomben und tausende von Brandbomben. Die meisten Bomben sind auf freies Feld gefallen. Gruhlwerk und Grube Brühl hat mitbekommen, an der Zuckerfabrik ist eine Luftmiene heruntergekommen, und Brandbomben, die halbe Appelwies ist abgebrannt. Union in Wesseling ist getroffen worden. In Brühl sind furchtbar viele Fensterscheiben kaputt gegangen, bei uns hat es gut gegangen, aber im Unterhaus waren verschiedene kaputt. In Brühl waren 2 Tote. Es war so schlimm hier, daß selbst deine Mutter nur mit dem notwendigsten bekleidet in den Keller gegangen ist.
Familie Schmitz wohnt nun auch schon 8 Tage hier, auf 2 Zimmer, die andern beiden Zimmere sind beschlagnahmt worden für Fliegergeschädigte, und zwar ziehen dort 2 Frl. aus Köln hin, die Mutter ist bei dem Angriff auf Köln am 31. Mai gestorben. Den Keller habe ich selbstverständlich abgeschlossen, denn ich habe viele Vorräte darin, ich habe sehr viel eingeweckt, und auch genügend Kartoffel, Kohlen und Brikett eingeschlagen. Ich mußte doch sorgen daß ich habe wenn ihr in Urlaub kommt. Wein und Seckt ist auch noch alles da, nur haben Günther und ich eine Flasche Bordeaux zum Abschied getrunken. Du willst nun noch Neuigkeiten von Brühl hören, da kann ich dir nun nicht viel schreiben. Rösch und Genossen sitzten noch immer in Untersuchungshaft, die Sache ist noch immer nicht vorgekommen. Grahn mußte bei der Wehrmacht seinen Abschied nehmen, er ist jetzt wieder auf dem Bürgermeisteramt in [?], mehr weiß ich nicht, man kann auch nichts genaues erfahren. Kinder
kommen auch keine mehr, wovon auch, es sind ja keine Männer mehr hier. Nur Kätti wird kugelrund, im Februar erwartet sie etwas. Hier in Brühl ist wirklich nicht viel los, du wirst es ja sehen wenn du in Urlaub kommst. Ich komme ja auch nirgendwo hin, daß einzige ist wenn ich schon mal ins Kino gehe, wenn ein anständiges Stück gespielt wird.
Den Hut habe ich für mich behalten, da ich ihn gut gebrauchen konnte, ich verkaufe dann lieber den grauen, natürlich auch für 25 M. Dann muß ich dir noch den Empfang von 12 Eiern und einer Büchse Butter bestätigen. Die Büchsen habe ich noch nicht wieder um geschickt, weil ich dachte du würdest ja kommen. Schick mir bitte wieder Butter, denn damit ist es hier zu knapp, zumal ich Gustav und Günther auch Plätzchen backen muß. Günther hat auch schon wieder um Brot geschrieben, auch im Arbeitsdienst mußte ich ihm jede Woche ein Brot schicken. Mit einer Karte ist
man wirklich arm dran wenn man auch noch davon schicken muß, darum schick mir, wenn es geht Butter, dann kann ich mir besser helfen. Ich bin froh daß du genug zu essen hast. In Paris hast du ja mal wieder geschlemmt, du Genieser. Bist du mir auch treu geblieben bei all den schönen Mädchen in Paris. Lege dir eine Karte von Günther bei, darin hast du seine Adresse. Für heute will ich mal wieder schließen, und ich will hoffen daß du recht bald einmal nach Hause kommst.
Ich erwarte dich auch weiter, und wünsche dir alles Gute, und herzliche Grüße und Küsse bis auf baldiges Wiedersehen
Lieschen