Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 18. April 1940

Hannover, den 18. April 1940

Liebe Mutter!

Deine Karte habe ich erhalten. Gott sei Dank haben sich die Karten ja gefunden! Ich habe sie alle in Reisemarken umgetauscht und glaube, dass ich ganz bequem bis zum 5. damit auskomme.

Jetzt will ich dir zuerst mal sagen wo und wie ich wohne: Meine Wohnung am Volgersweg ist ungefähr 5 Min. vom Bahnhof und etwa 20 Min. von der T-H entfernt. Aber das ist ja weiter nicht schlimm. Im Sommer macht das Laufen ja Spass. Der Plan kann dir ja zeigen wie die Zimmer eingerichtet sind. Hochmodern sind sie allerdings nicht, aber sauber! Unsere Wirtin ist so’n altes Mütterchen. Morgens und abends bekommen wir heissen Pfeffermünztee. Die Betten sind auch gut. Nur eins ist hier anders. Hier in Hannover kennt man keine Decken. Dafür hat man riesengrosse Plumeaus, in die man sich 3 x einwickeln kann. Ist aber sehr warm. Also mit meiner Wohnung bin ich zufrieden. Und 25,- ist doch nicht zu teuer? Oder doch?! Dann das Essen: Morgens und abends Butterbrote mit Wurst und Marmelade zu heissem Tee oder zu heisser Milch. Mittags esse ich 3 x in der Woche in der Stadtschänke Stammessen zu 50 Pf. Diese Woche habe ich da bekommen: Sauerkraut mit Pürée, Kartoffelklösse mit Aprikosenkompott und Steckrüben mit Kartoffel.

3 x in der Woche esse ich bei der Pensionswirtin von Schommers. Ist ausgezeichnetes Essen. Für 90 Pf. Immer Suppe, Fleisch, Kartoffel, Gemüse und als Nachtisch Pudding. Das wäre also die Essensfrage!

Dann das Studium.

Meinen Stundenplan!

Montag

8-9 / 9-10 / 10-11 / 11-12 Baukonstruktion
12-1 Übung
3-4
4-5 / 5-6 Kunstgeschichte
6-7

Dienstag

8-9 / 9-10 Baustofflehre
10-11
11-12 / 12-1 Vermessungen
3-4
4-5
5-6 Statisch.
6-7 Übung

8-9
9-10
10-11 / 11-12 / 12-1 Aufnehmen von Bauteilen
3-4
4-5
5-6
6-7

8-9 / 9-10 / 10-11 Werklehre
11-12 / 12-1 Statik
3-4
4-5
5-6
6-7

Freitag

8-9
9-10 / 10-11 / 11-12 Techn. Zeichn.
12-1 Übung
3-4 / 4-5 / 5-6 / 6-7 Architekturzeichnen

Samstag

frei

Das ist also der Stundenplan. 30 Std also 3 x muss ich also früh aufstehn und 3 x mal muß ich später bzw. garnicht aufstehen. Ich habe an sich garnichts mit dem Hochschulgebäude zu tun. Das Haus für Architektur liegt etwa 300-400 m davon näher an der Stadt. Bis jetzt habe ich gehört nur Kunstgeschichte und Statik. Kunstgesch. war prima. Ein Genuss!! Statik weniger; denn wir kommen ja mitten ins 2. Trimester hinein. Na, ja, wird schon gehen. Am Montag geht der Betrieb dann richtig los. Die Professoren sind dann alle aus den Ferien zurück.

Wenn wir nicht gerade zu tun haben,

lesen wir oder machen einen Bummel durch Hannover. Mit Scheuble vertrage ich mich besser als mit Schommers. Also klappt alles.

Meine Ausgaben:

An Brot

0,40
0,27
0,20
0,30
0,20
0,15
0,20
0,35

= 2,07

Sonstige Lebensm.

0,80
0,60
0,20
1,47
0,30

= 3,37 (ohne Zigaretten!!)

Essen

1,85 >
2,00 >
1,00 > Das musst du übersehen, da wussten wir noch nicht Bescheid!
0,90
9,00 10 Gutscheine für Pensionsesse

= 14,75

Sonstiges

Gepäck 0,35
Sprudel 0,30
Zeitung 0,20
Block 0,40
Bücher 1,00
Becher 0,30
H-T. 0,90
Kaffee 0,25

= 3,70

2,07
3,37
14,75
3,70
11,04 Miete im Hotel
25,00 Miete hier

=59,95

Dann habe ich also 59 Rm ausgegeben. 160 Rm stehen noch auf meinem Postsparbuch und 5 Rm habe ich noch bei mir.

Für Immatrikulation noch nichts ausgegeben. Kommt noch.

Das wäre dann alles.

Wenn Du noch was wissen möchtest, schreib’ mir bitte!

Ich vermisse augenbl. ein paar Pantoffel. Schick mir doch bitte die alten.

Ausserdem habe ich das Reissbrett mit Schiene nötig!

So, jetzt ist es neun Uhr. Schluss!

Lass’ bald was von dir hören!

Die herzlichsten Grüsse

an Dich

Günther

und die Omas!