Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 19. August 1940
Hohenkrich, den 19.8.40
Lieber Mutter!
Gerade erhielt ich die heissersehnten 15,-. Vielen Dank! Dann bestätige ich zugleich auch auf besonderen Wunsch den Empfang Deines Paketes. Der Schlafanzug ist prima und er passt ausgezeichnet. Ausserdem habe ich heute einen ganz langen Brief von Vater bekommen. Dann kam noch etwas an: ein Päckchen mit 150 englischen Zigaretten. Als Absender war angegeben „Roos, Hohenkirch“. Der Poststempel war von Brühl. Die Schrift war mir gänzlich unbekannt. Kannst Du mir vielleicht verraten, woher das kam?!
Dann willst Du vielleicht etwas von mir wissen. Also mir gefällt es hier sehr gut. Arbeiten tue ich sehr, sehr wenig. Seit 2 Wochen ist die Ernte nun drinnen. Danach wurde ich krank. Ich hatte den Dünnpfiff. 3 Tage konnte ich nicht schnell genug laufen: Es war fürchterlich! Am 3. Tag ging ich, weil kein andrer Arzt hier ist, zu einem Militärarzt. Der untersuchte mich und gab mir dann – Rizinus!! Es war dann noch 3 x so schlimm! 3 Tage hatte ich schon nichts mehr gegessen. Und jetzt sollte ich nur noch schwarzen Tee, ungesüsst trinken. Ich war es aber satt. Und als ich dann Sonntag mal wieder ordentlich gegessen hatte, war alles wieder gut.
Die letzte Woche bin ich jeden Morgen um 6.00 aufgestanden, habe an Stelle von Früh-
Frühsport 12 Eimer Wasser für die Pferde getragen und war dann den ganzen Tag frei. Um 7.30 kam ein Wagen und brachte die Milch hinunter ins Dorf. Mit dem fuhr ich und unten kamen dann so nach und nach alle Studenten an. Im Dorfkrug wurde ein Schnaps gekippt, damit wir mal ordentlich von innen warm wurden. Von da aus ging’s zum Standesamt. Dort sind 2 Mädels beschäftigt. 1. Die Tochter meines Bauern und die Tochter des Bauernführers. Das Standesamt ist Bürgermeisteramt, Wirtschaftsamt alles in einem. Es besteht aus 3 Zimmern. Im ersten sitzt Gerda, im 2. Elli und im dritten der Amtsvorsteher. Hier war was los. Mein Quetschenbüggel liegt da und dann ran. Ein Krach! Da war alles dran. Stell’ Dir sowas mal in Brühl vor. Und der Amtsvorsteher sagt nöscht! Um 10.00 war 2. Frühstück dazu brachte ich mir 2 Eier und ein Butterbrot mit. Dann gings weiter bis 11.30. So um diese Zeit fuhren wir alle nach Hause zum Mittagessen. Es folgte daran: Schlafen, Lesen, Zeichnen, nichts tun oder Radfahren. 4.00 Kaffee. Pause! 7.00 Abendessen. Pause. Schlafen. Das war mein Tagesplan! Ich habe hier auch ein Pferd, mit dem ich ausreiten kann. So in Ordnung! Im Anfang war das Reiten mit Schwierigkeiten verbunden. 2 mal bin ich runtergerollt. Und das Pferd ging ohne mich los. Jetzt sitze ich aber schon wie ein junger Gott und ehern wie der „Colleoni“ im Sattel! Das Essen ist ausgezeichnet. Sowas wie Kumps habe ich noch nicht gesehen. Dafür habe ich schon 5 x Huhn gegessen. Frag’ aber nicht welche Portionen. Ohne
Kartoffel. Hier gibts eine Hühnersuppe mit selbstgerollten Nudeln drin. Dazu wird so’n Bruchstück von ’nem Huhn auf die Faust genommen. Und runter! Aber jedesmal gings mir wie Max und Moritz. Ein Stück vom Huhn guckte mir noch am Hals raus. Und trotzdem blieb immer noch übrig. Nicht eher lassen mich die Leute hier in Ruh’, bis ich mir fingerdick Butter und Fleisch aufs Brot lege. Eier werden mir richtig aufgedrängt. 2, 3, 4 Stück am Tag, gekocht oder als Zuckerei. Kaffee (richtigen!) gibts hier Sonntag. Dazu macht die Frau extra für mich „Schlagsahne!!“ Weisst Du, was das ist? Aber das tut alles gut!
Am Samstag hatten wir einen Gemeinschaftsabend. Alle Bauern, sowie die Häupter der Verwaltung, der S.A., S.S., und der Polizist waren eingeladen. Die Frauenschaft hatte Kuchen gebacken. Um 8.00 gings los. Zuerst wurde mal Kuchen gegessen. Ganze Stapel. Es waren nämlich etwa 80 Bauern da. Wir waren zu 16 Mann und 2 Studentinnen. Nach dem Essen begann unser Programm. Es wurde gespielt, Musik gemacht, gesungen, gefochten, getanzt u. s. w. (Geübt hatten wir alles auch auf dem Standesamt) Bis 12.00 ging es dann war Schluss. Und dann ging die Sauferei los. Hier gab der Bauer einen aus, da der. So ging das weiter bis 4.00. Dann nach Hause. Mein Bauer war nicht gekommen, da eine Kuh kalbte und die Frau war mit Gerda schon um 12.00 abgehauen. So musste ich ganz alleine wandern. Der Weg dauerte in meinem Zustand statt ½ Std. 1 ganze Std. Um 5.00 lag ich im Bett.
Daraufhin habe ich gestern, Sonntag, bis 12.00 geschlafen. Gegessen. Wieder rein in die Falle
weitergepennt bis 7.00. Nach dem Abendessen habe ich dann mit meinem Bauern einen Ritt zum Nachbardorf gemacht. 10.30 lag ich dann aber wieder im Bett. Heute gings dann wieder los, wie vorige Woche.
Am Dienstag (27.8.) fahren wir von hier ab. Zuerst nach Briesen. Dort findet eine Feier statt bis zum 28. Am Mittwoch morgen fahren wir dann nach Marienburg. Bleiben hier einen Tag (28). Von da aus nach Danzig (29). Hier auch ein Tag. Dann nach Berlin (30). Von hier aus bekommen wir Freifahrscheine. Können also privat weiterfahren. Ich werde mir dann mal Berlin ansehen. Von da aus werde ich nach Hannover fahren, da alles regeln und dann nach Hause kommen.
Ich werde noch einige Sachen kaufen und mitbringen.
Karten schicke ich im Brief! Bitte aber sofort um Empfangsbestätigung!!
Günther soll ja nicht zu Hause sein, wenn ich komme. Ich schlage ihn sonst krumm!! Ersten schreibt die Schloppkroht nicht und zweitens schuldet er mir, wie Vater schreibt, 10 Rm!! Er soll sich nur verkriechen!!
Die herzlichsten Grüsse
sendet Dir, Günther, und den Omas