Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 12. Mai 1941
O. U., den 12.5.1941
Liebe Mutter!
Zwei Briefe von Dir und einen von „Gundikar“ habe ich gestern erhalten. Vielen Dank! Ein Päckchen von Oma und Tante Uta kam auch an. Deine sind noch nicht da. Zum N.S.St.B. Also ich versichere Dir ehrenwörtlich, dass ich schon von Bergen dahingeschrieben habe. Wie das kommt, dass sie noch einmal geschrieben haben, ist mir unverständlich.
Was sagt Ihr nun zu Rudolf Hess? Es ist einfach nicht zu glauben!! Als diese Nachricht gestern abend bei uns so allmählich durchsickerte, sank unsere Stimmung auf den absoluten Nullpunkt. Was könnte das für Folgen haben, gerade ja auch für uns, wenn der Vertraute des Führers ein Schuft ist!! Traue keinem Menschen mit zusammengewachsenen Augenbrauen! Was für eine Rolle gedenkt dieser Idiot in England zu spielen? Und was ein Schlag wird das für den Führer sein! Hoffentlich kommt das ganze Gesocks um Hess an die Wand! Bei uns hier schäumt alles vor Wut auf diesen Verräter und bedauert Adolf.
Nun mal wieder etwas von mir: Ja, liebe
Mutter, im grossen und ganzen gefällt es mir nun ganz gut hier. Gestern änderte sich das Wetter und nun ist es so heiss, dass ich schon Sonnenbrand habe. Langsam beginnt es auch grün zu werden. Sorgen um mich sind überflüssig!! Heinz Heinemann liegt auch irgendwo in Polen. Was nun los ist, weiss niemand bei uns. Wir haben nur zwei Vermutungen. Was nun geschieht, wird uns die Zukunft zeigen!
Von Vater habe ich bisher noch nichts gehört. Aber ich erwarte nun jeden Tag einen Brief von ihm. Vielleicht ist er auch jetzt schon bei Euch in Brühl!
Was hat der Tommy vorige Nacht im heiligen Köln gemacht. Hoffentlich war es nicht sehr schlimm!
So und nun das wichtigste:
Liebe Mutter! Schenken kann ich Dir ja nichts. Dafür sende ich Dir die herzlichsten Grüsse aus Polen zum Muttertag!! Weil es ein so hoher Feiertag ist, vielleicht auch einen Kuss! Es tut mir ja leid, dass ich nicht bei Dir sein kann, aber es ist Krieg. „Gundikar“ soll all die „Bützche“, die für mich bestimmt sind, entgegen nehmen! Er wird das ja zu schätzen wissen! Denn, wenn alles auf meinem Konto stehenbleibt,
fürchte ich totgeknutscht zu werden, wenn ich wieder in Brühl, dazu noch als alter Frontkämpfer, aufkreuzen werde. Auf den Tag freue ich mich schon heute!! Aber beruhigt Euch, er kommt!! Wenn es auch Herbst drüber werden soll!
Dann holen wir auch Muttertag, und wenn Tünn da ist, auch Vatertag nach!! Also bis dann!!
So, und nun Schluss für heute!
Alles Gute und herzlichste Grüsse!
Heil und Sieg!
Gustav