Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 4. Juni 1941

O. U., den 4.Juni 1941

Liebe Mutter!

Gestern bekam ich einmal große Post! Ein Brief von Dir, eine Karte und ein Päckchen von Tante Lina, und ein Päckchen von Tante Agnes. Die einliegenden Zigaretten kamen gerade zur rechten Zeit; denn mein Vorrat war aufgegangen und auch die Marketenderei ist leer. Also es war höchste Zeit! Weiterhin kann ich Dir dankend den Empfang von P. No. 7, u. den Illustrierten bestätigen. Am 1.4. habe ich Dir in einem Brief wieder 10 Fotos und 3 Zeichnungen geschickt. Hoffentlich ist der Brief mit den ersten Fotos angekommen. Es wäre jammerschade, wenn sie verloren gegangen wären!

Zur Zeit schone ich noch meinen Fuß und mich. Nach dem Marsch habe ich das verdient. Ich versuche jetzt gut zu leben. Geld habe ich ja. Gestern ist es uns zum erstenmal gelungen, Milch und Butter für Geld zu bekommen. Fall’ nicht um, wenn Du erfährst, was das kostet. 1 l Milch zu 4 Sloty = 2, Rm. und 1 Pfd Butter 15 Sloty = 7,5 Rm. ¼ Butter habe ich bekommen können. Die wahnsinnigen Preise kommen daher, daß der Sloty absolut

keinen Wert hier hat.

Dann noch etwas: Lebensmittel sollt Ihr mir nicht schicken, wenn Ihr selbst knapp sein!! Ich bin vollzufrieden mit einem Stück Kuchen ein Paar Plätzchen und Zigaretten.

Nun zur Politik: Dieselben Gerüchte: Krach mit Rußland, Besetzung der Ukraine, Verpachtung, friedlicher Durchmarsch zum Irak, hören wir hier auch. Ich glaube nichts davon. An einen Krieg gegen Rußland kann ich garnicht glauben. Wir müßen abwarten!

Allmählich haben wir uns auch wieder hier eingelebt. Man gewöhnt sich eben an alles. Seit dieser Woche haben wir nun ganz neue Off. u. Uffz. Die alten sind gestern abgehauen. Es scheinen neue, frischere, uns unbekannte, längst vergessene, ziemlich aktive Winde wehen zu wollen. Auch das noch!! Herr! Womit haben wir das verdient?! Vor einem halben Jahr ging es mir noch gut, jetzt geht es mir besser, hoffentlich geht es mir bald wieder gut!!

Flöns hat das harte Schicksal nun auch gepackt: Lingen, Infantrie! Er war der letzte! Pfingsten habe ich kommißmäßig verbrach, ich habe geschrieben, gezeichnet, und geraucht und mußte oft an Euch denken.

Ein Trost bleibt uns immer: „Alles geht vorüber!! [...]

Meinem kleinen Bruder Gundikar danke ich nochmals für den Nietzsche. Er hat der geistigen Hochfinanz der 1. mal wieder Stoff für endlos lange und von manchen Seiten mit erheblichem Stimmaufwand betriebene Diskussionen gegeben!! Bütz’en af dofür!!

Was machen bei Euch in letzter Zeit die Tommies? Hoffentlich bleiben sie zahm!

Schreibt mir bald wieder!

Noch einmal Günther viele Grüße zum Geburtstag!

Im übrigen allen alles Gute!

Heil und Sieg!
Gustav