Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 22. Juni 1941
Sonntag, d. 22.6.41
Liebe Mutter!
Nun haben wir endlich Gewissheit: Gegen Russland! Wir wussten es schon längere Zeit, aber wir konnten es nicht glauben. Gestern marschierten wir von unserem letzten Standort, der nur 12 km vom Bug weg war, weiter in s. o. Richtung und liegen nun etwas südlich Brest etwa 8 km vom Bug. Schon die ganze Woche sprach man von der Sonnenwende. Gestern 10 h kamen wir nun in dem Wäldchen an, zelteten und fingen dann an zu pennen. In der Nacht hörten wir
von überall Panzer nach vorne rollen. Es müssen unendlich viele sein. 3.10 wurden wir dann geweckt: die Artellerie begann zu bumsen. 3.18 brausten die ersten Flieger über uns zur Grenze. Die Kanonen donnerten, Flieger kamen, immer neue. Es dröhnte von Osten her. Um 3.45 bekamen wir einen Tagesbefehl vorgelesen. Dann legten wir uns wieder ins Zelt. Von stärkerem Flugzeuglärm und anwachsendem Kanonendonner wurden wir ab und zu geweckt.
Gegen 7.00 schwächte das Artilleriefeuer ab und war etwas später nicht mehr zu hören.
Von russ. Fliegern war nichts zu sehen.
8.00 kam ein Offz. mit der Meldung: „Brest gefallen!“
Eine Std. später konnten wir die ersten Gefangenen besichtigen.
10 Uhr meldete uns Flak die ersten Russen.
Wir wurden dann Zeugen eines Luftkampfes. Es war unglaublich: Eine russ. Bomberstaffel kam zurück. Flak hielt sie hoch. Plötzlich 2 Me-Jäger. 4 Flugzeuge wurden vom Verband gelöst und innerhalb 2 Min. stürzten die vier Russen brennend ab. Anscheinend waren die Russen
von unserem Angriff peinlichst überrascht.
Wir müssen in Kürze marschfertig stehen und werden vielleicht noch heute den Bug überschreiten!!
In grosse Kämpfe werden wir kaum kommen, denn anscheinend ist der Russe schon im Siegreichen Rückzug!
Nun Schluss!
Bald Neues!
Heil und Sieg!
Gustav.
Die 4 verspr. Päckchen alle da. Zuletzt Badehose u. s. w. Inhalt wie angegeben.