Gustav Roos an Vater Toni, 11. Juli 1941

Russland, den 11.7.1941

Lieber Vater!

Heute bekam ich Deinen Brief vom 17.6. Vielen Dank! Na, Du Optimist, dieses Mal hast Du Unrecht gehabt. Beruhige Dich, trotzdem nun von oben immer wieder ganz klar gesagt wurde: „Es geht gegen Russland!“, Wir haben es niemals geglaubt. Erst in den letzten Tagen vorm Angriff, als Panzer auf Panzer, Ari und nochmal Ari anrollten, da sahen wir klar. Und jetzt hängen wir in der Scheisse!

Marschieren, marschieren! Seit dem 22. [..] nun über 700 km. Der Russe rennt, und [..] in den Wäldern hält er sich noch, bis ihn der Hunger zwingt, sich zu ergeben. Feindliche Flieger haben wir seit dem 24.6. nicht mehr gesehen. Seit dem 6. sind wir nun im eigentlichen Russland, morgen oder übermorgen werden wir die Beresina überschreiten. Am 6. d. M. wurde ich aus meiner alten Einheit versetzt. Meine neue Feldpostnummer ist nun
08794 A.

Meine Aufgabe ist nun: Funker in einem Bataillonsstab. Das schliesst leider das Tippeln nicht aus. In der neuen Einheit haben wir schon Marschleistungen von 70 km am Tage gemacht. Unser Regiment ist als das strammste und aktivste Deutschlands bekannt. Und ausgerechnet ich muss hierhin!!! Diese Märsche, in der Sonnenglut sind furchtbar. Alles träumt von zu Hause dann von Bier, Sekt, Likör, Eis, gutem Essen. Obst, Kuchen, von einem richtigen Schlaf, von Radio, Musik und Ruhe, von all den Sachen, von den-

en man hier nichts zu sehen bekommt. Aber auch dieser Feldzug geht vorüber, und wenn wir dann mal wieder alle zu Hause sind, werden wir mal wieder genau so „schlemmen“, wie immer, wenn wir zusammen waren.

Wann wird es nun hier im Osten zu Ende sein? Ich rechne stark schon mit August! Hoffentlich habe ich mich nicht verrechnet!

Wie es hier auf dem Vormarsch aussieht, habe ich Dir schon geschrieben, vielleicht weisst Du es auch aus eigner Anschauung.

Beutematerial, Zigaretten, Lebensmittel, [..] u. s. w., wie im Westen, gibt es hier leider nicht, die Russen haben ja selbst nichts. Und die Bauern sind von den Sowjets schon bis aufs Blut ausgesaugt. Soweit nicht unsere Stukas die Dörfer nicht leicht beschädigt haben, verhalten sich die Leute ganz freundlich. (Wielange noch?)

Heute abend geht’s wieder weiter. Ich muss die Vorbereitungen dazu treffen und darum also Schluss für heute.

Noch eins: Du kannst Dir ja denken, dass ich verdammt wenig Zeit zum Schreiben habe. Entschuldige also bitte, wenn es mal etwas lange dauert, bis ein Brief ankommt. Heute mit deinem Brief bekam ich die erste Post seit dem 22. Mir geht es also noch schlechter.

Nun also alles Gute und viele Grüsse!

Heil und Sieg!
Gustav

Schreib’ mir bitte bald wieder!