Gustav Roos an Vater Toni, 17. Juli 1941
Russland, 17.7.41
Lieber Vater!
Zuerst will ich Dir einmal zu Deinem Namenstag gratulieren! Hoffentlich können wir die folgenden alle zusammen im „trauten Kreise der Familie“ feiern!!! Entschuldige bitte, dass die Glückwünsche so spät kommen; aber 1. habe ich gestern erst daran gedacht, jawohl, es ist zwar traurig, aber ich glaube, nicht unendschuldbar; denn wir wissen ja kaum welcher Wochentag ist, 2. hätte es auch wenig Zweck gehabt, früher zu schreiben; denn nur ab un zu wird Post gebracht und geholt. Nach dem 22.6. habe ich weder von Dir noch von Mutter einen Brief erhalten!
Nun zum Thema: Am 14.7. 4.00 haben wir die Beresina überschritten. Am 15. haben wir uns mühsam 15 km (in 10 Std!) vorgearbeitet. Und gestern hat man uns dann ganz übel zum Jeck gehalten. 2.00 morgens brachen wir auf. 20 km etwa über ganz schlechte Wald-, Sumpf- und Wüstenwege waren geplant. Angenehm geschwächt gelangten wir im Zieldorf an. Die Zelte sind gebaut, verdammt, neuer Abmarschbefehl! Kurz gegessen. Weiter! Noch einmal 20 km! Marsch durch die Mittagsglut! Durch Sand, der einem beinahe bis zum Nabel reicht, ...
Fortsetzung, am 19.7.41
der Schweiss rinnt von der Stirn in Strömen, der Magen knurrt, der Stiefel drückt, der ganze Körper juckt von Mückenstichen... es war eine Katastrophe!! Na, um es kurz zu machen, wir kamen im Quartier an, ½ Std. Ruhe, und da kommt schon wieder
der Befehl zum Weitermarsch, noch einmal über 20 km bis zum Djenpr. Marsch, siehe vorhergehende 20 km.
Um 10.30 kamen wir in Staryi Bychow an. Am Djenpr kampierten wir im Freien. Die russ. Flieger waren hier wieder aktiv. Der Ort war halb coventriert und am Morgen sollten neue Pulverisationen durch Ari und Bomber erfolgen. Da aber Mölders jetzt hier ist hatte man Pech und fast alles segelte runter.
Mittags zogen wir zurück in die Stadt hinein und blieben dort in einem Garten liegen, bis gestern um 15.00 Alarm kam. S.Ö. der Stadt sitzt noch der Russe, und zwar mit einigen Divisionen und einer Menge Ari. Er leistet noch zähen Widerstand.
Wir zogen etwa 10 km in dieser Richtung, dann hiess es: „Funkgeräte frei zum Einsatz!“ Wir buddelten uns ein! Der Funktruppführer ein Uffz., und ich liegen nun in unserm Loch, vor uns die Apparate, die Verständigung klappt prima!
Gestern abend mussten wir schon einige Male die Nase tief in den Dreck stecken, da der Russe verdammt nahe hierher schoss. Die Nacht war ziemlich ruhig, und wir schliefen, wenn auch unbequem und kalt in einem Loch von etwa 1=1,50=1,50.
Jetzt ist es 9.30. Unsere Artillerie hämmert in die Wälder und der Russe schiesst wieder. Die Granaten sausen über uns hinweg. Heute kann ich schon genau unterscheiden, ob sie ankommen oder weggehen. Gestern musste mir der Unteroffizier noch immer Bescheid sagen, oft indem er einfach so gegen mich sprang, dass ich umkippte, wenn ich mich hinlegen musste.
Unsere Ari ist im Augenblick ganz still, dafür
böllert der Russe ordentlich. Die Einschläge liegen immer etwa 500-1000 m hinter uns. Solange sie nicht näher kommen, ist es halb so wild, denn unser Loch schützt uns.
In einer halben Std. steigt der Angriff, und dann müssen auch wir weiter. Mein Trupp liegt zwar beim Btl-Gefechtsstand, aber deswegen doch nicht hinten sondern zwischen den Kompanien.
4 Tote hatten wir diese Nacht schon durch Volltreffer der Ari. Das Schlimmste ist heute, wir haben keine Zigaretten mehr. Seit zwei Tagen haben wir keine mehr empfangen. Tabak besitzen wir, aber keine Pfeifen oder Blättchen. Es ist zum Kotzen!!
Mit der Verpflegung hat es bis jetzt geklappt. Gestern abend gegen 23.00 kam die Küche nach. Kartoffel mit Klops!! Tadellos! Heute morgen kam heisser Kaffee und dazu hatten wir noch eine Dose Fisch. Jetzt ist es aber auch mit unserer kalten Verpflegung aus.
Am Abend.
Ein toller Tag liegt hinter mir! Ein Grossangriff. Zäher Widerstand! Gutes Artilleriefeuer der Russen!
Vom Btl.-Kommandeur habe ich ein Lob bekommen für mein Verhalten im Gefecht. Bin froh, dass ich es hinter mir habe!
Nun alles Gute und viele herzliche Grüsse!
Heil und Sieg!
Gustav.