Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 3. August 1941
Russland, am 3.8.1941
Liebe Mutter!
Ich danke zuerst einmal herzlichst Dir, Günther und der „Kokaoma“ für Eure Namenstagsgrüsse!!
Mein Namenstag! Komische Gefühle befallen mich, wenn ich an die vergangenen Namenstage denke. Ich will Dir mal meinen diesjährigen schildern:
2.8. 00.35. Ich sehe aufs Datum. Der 2. Mensch ich habe Namenstag! Ich gratuliere mir selbst; anders tut’s ja keiner. Ich liege in einem Bauernhaus, 300 m vom Dnjepr, vor dem Gerät und warte auf den Befehl zum Abbau und Abmarsch. 2.00 kommt er. Alles überschlägt sich, wie immer. In aller Hast marschieren wir ab. 3 km. Hier warten unsere Fahrzeuge. Gerät wird verladen. Da stelle ich plötzlich fest: Ich habe meinen Brotbeutel liegengelassen. Inhalt Handtuch, Seife, Badehose, Kochgeschirr, Besteck, Butterdose und Gewehrreinigungsgerät, dazu Feldflasche. Am meisten ärgert mich der Verlust der Badehose. Na, und so renne ich wieder zurück. 3 km. Im Dorf marschiert gerade eine Kmp. ab mit demselben Ziel, wie der Stab. Ich finde den Brotbeutel noch, schliesse mich an und
nach 8 km Weg gelange ich am Biwakplatz an. Die Kameraden pennen alle. Ein Kochgeschirr Milchreis verdrücke ich, dann liege ich auch flach. Nach 6 Std. um 12.00 werden wir geweckt. Essen! Post! Ich bekomme 3 Päckchen, No. 21, 22, 23. Diese Zigaretten!! Nach 3 Tagen Zeitungspapierpapyrossis. Die Bonbons habe ich gefressen, hintereinander rein. So einen Hunger hatte ich danach. Dass sie mir geschmeckt haben, erübrigt sich wohl zu sagen.
17.00 zogen wir wieder weiter. Am Dnjepr rauf, bis Bychow wieder und hier überschritten wir um 4.00 endlich den Dnjepr. Zugleich tippelten wir diese Nacht unseren 1000 km herunter. Wir sind jetzt bei 1020 angelangt. 6.00 kamen wir im Quartier, einer Scheune, an. Bis 12.00 haben wir gepennt. Und dann kam die Post! 4 Päckchen zum Namenstag! Inhalt unversehrt! Ihr wisst kaum, was mir das für eine Freude gemacht hat. Noch einmal: Vielen Dank! Jetzt erst habe ich Namenstag, wo mir gratuliert wird!!
Nun wieder die alte Bitte: Denkt bitte an Zigaretten!!! Schickt mir Papierchen zum
drehen, und eine Pfeife!! Ohne Zigaretten kann ich keinen Krieg führen und ohne mich kein Sieg! Lasst mich bitte nicht im Stich! Vorläufig reichts ja wieder mal! Nun will ich wieder zum Schluss kommen. Wann der nächste Brief kommt kann ich noch nicht sagen. Ich habe nämlich kein Couvert mehr. Ausserdem werde ich auch diese Woche wenig Zeit haben, denn es sollen noch ein paar harte Tage werden. Wenn ich kann, erhältst Du Post!!
Und dann: Mach’ Dir keine allzugrossen Sorgen, ganz ohne Sorgen geht’s bei Dir ja sowieso nicht, es geht schon alles gut!!
Nun also
alles Gute und herzliche Grüsse an Dich, Jünni und die „Kokaoma“!!
Heil und Sieg!
Gustav.