Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 23. August 1941

Russland, am 23.8.1941

Liebe Mutter!

Heute endlich komme ich einmal wieder dazu, Dir zu schreiben. Tja, wir tippeln neuerdings wieder. Seit Sonntag Nacht. Richtung nicht mehr Nordost, sondern jetzt Südost: Bei Tscherschersky den Sosch. Unsere Tagesmärsche dauern von morgens 4.00 etwa bis abends 16.-17.00. Die Wege sind undenkbar schlecht, Sand, Moor, dazu wird das Gelände jetzt auch noch bergig. Die Sonne der Hundstage brennt. Na, Du kannst es Dir ja vorstellen! Abends, wenn wir im Quartier ankommen, ist noch Dienst: Waffen- und Fahrzeugreinigen. Ist das vorbei und das Essen, wird es schon dunkel.

Am Sonntag, dem 18., beschlossen wir durch ein Bad im Dnjepr und am Abend mit einem grossen Zapfenstreich unseren Kampf um den Fluss. Heute, wo’s hinter mir liegt, kannst Du es ja wissen. Beinahe vier Wochen, es begann mit dem 19.7. und unser letzter Angriff war am 15. u. 16.8., dauerte dieser Kampf. Von den 4 Funkern, die mit uns von Braunschweig gekommen waren, ist Theo Schäfer gefallen und Hermann Leydecker schwer verwundet. Jetzt bin ich mit Wolfgang Mölke noch alleine. Über diese

4 Wochen will ich weiter nichts schreiben, da sprechen wir drüber, wenn ich wieder zu Hause bin.

Es geht mir sonst noch ganz gut. Unser warmes Essen ist zur Zeit so in Ordnung. Fleisch bekommen wir sozusagen so viel wir wollen. Gestern gab’s mittags Grüne-Bohnensuppe, abends ein Kochgeschirr Gulasch mit Salzkartoffel. Heute mittag gab’s Roggensuppe am Abend Gries mit etwa 100 Eiern drin, dazu bekommt jeder ein gekochtes Ei. Vorgestern gab’s Apfelreis. Der hat mir so gut geschmeckt, dass ich meinen Rekord frass; nämlich 6 Schläge!! Nachher lag ich aber auch da wie Max und Moritz. Unsere kalten Portionen sind weniger gut. Nur Schmalz immer und das Brot ist sozusagen Sch...! Das Land ist hier ertragreicher, sogar Obst gibts, aber nur Äpfel, saure Biester! Die Leute sind auch nicht mehr grade so stur.

Nun etwas wichtiges:
Liebe Mutter! Ich danke Dir ganz herzlich für Dein Bild. Ich habe mich so gefreut als es kam. Nun bist Du immer bei mir! Es wird Dich wohl auch freuen, wenn ich Dir sage, dass Du fabelhaft darauf aussiehst!

Heute hatten wir nur etwa 10 km zu marschieren und waren um 8.00 im Quartier. Ab mittag war dienstfrei. Ich war so müde,

dass ich erst einmal gepennt habe.

Ich habe dann noch ein paar Wünsche.

Diese hat Günther nach Vereinbarung zu erledigen:
1. Taschenmesser (bes. Zweck: Brotschneiden, Korkenzieher, Büchsenöffner! erwünscht)
2. Rasierapparat
3. Nähnadeln
4. Ein zusammenklappbares Essbesteck!
5. Eine Fettbüchse (möglichst aus Bakelit und nicht zu hoch, 3-5 cm)

Diese Sachen fehlen mir wie das tägliche Brot.

Nun noch: Das einliegende Geld ist für Jünni. Er hat damit nach meinem Wunsch zu verfahren und ein treuer Verwalter über mein „Vermögen“ zu sein! Er hat doch „Beziehungen“ und soll mal sehen, wo er Zigaretten bekommt. Damit ist es hier nämlich zum Kotzen! Immer sind auch Süssigkeiten und Zucker willkommen!

So und nun also mal wieder Schluss! Sobald wie möglich folgt neuer Brief!

Alles Gute und die herzlichsten Grüsse an Dich, Günther und die Omas!

Heil und Sieg!
Gustav.

Briefpapier und Couverts!!!! Kann sonst nicht mehr schreiben!