Gustav Roos an Bruder Günther, 5. September 1941

Russland, am 5.9.1941

Fortsetzung vom Vortage!

Lieber Günther!

Ja, wo blieb ich gestern stehen? Bei mir persönlich, vorerst mal bei meinem Schnurrbart. Du würdest platt sein, wenn Du ihn sähest. Etwa 3 mm lang, ein angenehmes Hellblond, das immer in dezentester Weise vom rotbraun, bzw. schmutzig grau des Gesichtes absticht. Sonst bekommt mein Antlitz eine ganz interessante Wirkung dadurch, dass dort, wo das Käppi sitzt, eine schneeweisse Stelle blieb. Wenn ich nun so gelegentlich mal an mir herunter gucke, dann muss ich wehleidig lächeln. Tjä, meine einstmals so schneidige, neue Uniform. Der Rock, jetzt wie ein Sack, schmutzig, zerrissen, manchmal sogar geflickt, die Hose, total verdreckt, Nähte geplatzt, am rechten Knie ein qdm grosses Loch, die Stiefel sind nach 1383 km Marsch krumm und schief gelaufen, gewichst werden sie kaum noch, dick hängt der Lehm dran, das ganze kann man mit ruhigem Gewissen als „Frontschwein“ bezeichnen. Heute morgen wurde um 4.00 geweckt; die Feldküche kam; sie kann nämlich wegen Feindeinsicht nur im Dunkeln herankommen. Wir empfingen unseren Kaffee und kal-

te Verpflegung, frühstückten und begannen mit unserer Arbeit. Zuerst holten wir aus dem Bienenstock unter Lebensgefahr eine Anzahl Waben, erhitzten sie und quetschten sie durch Tuch. Ergebnis: pro Mann mehr als ein Pfd. Honig. Gut, nicht? Das Ergebnis unserer weiteren Arbeit bruzzelt noch im Kamin: 3 hohe Pötte Hühnersuppe mit 6 fetten Hennen drinn, dazu Salzkartoffel. Tipp-topp!! Mein Sohn, da bekommste Stielaugen, was?! Ja, hier kann man es in so etwa noch aushalten!!

So, heute genug! Über unsere finanziellen Angelegenheiten reden wir im nächsten Brief!

Nun, also alles Gute Dir, Mutter und den Omas!!

Vielen Dank für Eure Geburtstagspäckchen!

Heil und Sieg!
Gustav.