Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 7. September 1941

Russland, am 7.9.1941

Liebe Mutter!

Wo ich nun mal mehr Zeit als gewöhnlich habe, bekommst Du auch mehr Post. Zuerst einmal vielen Dank für Deine Geburtstagspäckchen. Sie kamen pünktlich an und, wie Du Dir denken kannst, befreiten mich die Zigaretten mal wieder aus grösster Not.

Dir wird es nun drauf ankommen etwas von meinem Dahinvegetieren auf russischer Erde zu erfahren. Die Hauptsache weisst Du schon aus den Briefen an Günther. Mein Tageslauf ist dieser: 4.00 kommt die Verpflegung und Kaffee. Ist das empfangen, legen wir uns bis 6.00-7.00 wieder flach. Kaffeetrinken folgt. Danach kommt die Hauptbeschäf-

tigung des Tages: nämlich die Sorge für das Mittagessen. Gestern mittag hatten wir Reibkuchen. Das erforderte natürlich viel Arbeit. Kartoffel roden, schälen, reiben, 11.00 begannen wir mit Backen, gegen 14.00 zogen wir das letzte Exemplar aus der Pfanne. An 3 Feuerstellen wurde gewirkt. 22 Mann assen und wurden satt. Unter uns: Ich ass 14 Stück! Eine nette Leistung nicht?! Am Abend brachte uns die Feldküche eine fabelhafte Linsensuppe. Heute morgen wurden wieder geschlachtet: 1 Sau, 4 Ferkel, 6 Gänse und einige Hühner. Auf dem Feuer kocht Bohnensuppe mit Gänsen drin. Ja, wir leben zur Zeit nicht gerade schlecht. Honig bin ich satt. Der neue Schlager ist jetzt „Über dem Feuer geröstete Maiskolben“. Schmecken bald wie „heisse Ma-

roni“. Morgen mittag drehen wir wahrscheinlich ein Ferkel am Spiess. Günther läuft jetzt wohl das Wasser im Munde zusammen.

Heute morgen bekam ich endlich Post von Vater, einen Brief und ein Rauchwarenpäckchen. Vater scheint es in Russland ja nicht gerade gut, aber immerhin besser als mir zu gefallen. Ich werde ihm natürlich umgehend antworten. Er bekam auch jedesmal Post von mir, wenn ich an Euch schrieb. Ausser 2 Karten an die Kirchstrasse und einem Brief an Flöns, den ich gestern schrieb, habe ich auch bis heute seit Beginn des Feldzuges an keinen anderen geschrieben als an Euch. Jetzt will ich aber anfangen, das Versäumte nachzuholen. Heute bekam ich auch Post von Flöns

und H. Heinemann. Die beiden schreiben mir schon andauernd Drohbriefe und denken wohl, ich sei geplatzt. Frau Kautz schrieb mir auch heute einen langen Brief unterrichtete mich einmal wieder über die Vorgänge in Hannover.

Ja, was ich so dringend nötig habe, habe ich Euch ja geschrieben. Dazu kommen nun Zeichenhefte!! Günther wird schon Bescheid wissen.

Für heute nun alles Gute und die herzlichsten Grüsse an Dich, Günther und die Omas!

Heil und Sieg!
Gustav.