Gustav Roos an Vater Toni, 8. September 1941
Russland, am 8.9.1941
Lieber Vater!
Gestern Abend erhielt ich endlich die erste Post von Dir nach langer Zeit, einen ganzen Schwung gleichzeitig. 3 Briefe, vom 2.8., vom 8.8. und vom 10.8. ausserdem ein Päckchen; Inhalt 20 Zigaretten, Papier und 2 Päckchen Tabak, und Geld in Rubelscheinen, in dem 1. Brief lagen 5,-. Ich danke Dir für all dieses und hoffe, dass Du auch von mir nun regelmässig Post bekommst und dass die ausstehenden Päckchen bald ankommen.
Wenn man Deine Briefe liest, stellt man mit Befriedigung fest, dass es Dir nun doch etwas besser geht als mir. Ich kann mir vorstellen, dass Du selbst in Russland noch wie ein Negerfürst lebst. 3 Tage lang ging’s auch
hier ausgezeichnet. Donnerstag kamen wir hier in einem kleinen Dorf, in der Nähe der Desna an. Mit dem Stabe bezog ich die Häuser, die Komp. bezogen Stellung rings um das Dorf. Wir hatten als Funker nichts zu tun, d. h. wir widmeten uns ganz dem Fress. Reibekuchen, Gänse, Hühner, Spanferkel standen auf unserem täglichen Speisezettel. Sonst taten wir nichts.
Etwas zur Lage. Mit Ausnahme von Westen, sitzt der Russe rings um uns rum. Kampftätigkeit: keine, nur Spähtrupptätigkeit. Manchmal knallt uns der Russe etwas mit Ari vor die Nase, dann knallen unsere wieder, und Schluss!
Was nun hier los ist, das weiss der liebe Herrgott. Manchmal scheint es, als ob wir hier den Winter über bleiben wollten. Alle Anzeichen deuten darauf hin.
Seit gestern bauen wir nun ein Blockhaus, 7 x 7, ein m tief in die Erde hinein, mit Hochdruck. Von 4.00-6.00, 7.00-11.00, 2.00-5.00 9 Std. also, anschl. noch Waffenreinigen, im Dämmern kommt dann die Feldküche ran, dann ist der Tag für uns zu Ende. Einer von uns hat auch heute noch immer vormittags Küchendienst, so hatten wir heute wieder Gans, Hühner, Salzkartoffel und Sauce.
Ein bisschen habe ich mich in
den letzten Tagen erholt. Aber bei der Arbeit wird das auch bald wieder draufgehn.
Was denkst Du nun von dem Feldzug im Osten? Ob er noch zu Ende geht? Nachdem, was ich hier sehe, habe ich die Hoffnung aufgegeben und denke schon mit Angst und Schrecken an einen Winter in Russland! Du sagst, wenn mir etwas fehle, solle ich meine Wünsche äussern. Ja, da sage ich Dir dasselbe, wie Mutter: „Zigaretten und Süsses!!“ Wenn Du davon etwas übrig hast, ich kann’s nur zu gut gebrauchen!!
Nun alles Gute und die herzlichsten Grüsse!
Heil und Sieg!
Gustav.