Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 23. September 1941

No. 1

Russland, am 23.9.1941

Liebe Mutter!

Gestern Abend erhielt ich Deinen Brief vom 2.9., meinem Geburtstag. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

Von Vater habe ich in den letzten 14 Tagen laufend Post bekommen und zwar aus Kirowo. Er schreibt mir immer: „Ich bekomme keine Post von Dir!“ Ich verstehe das nicht; jedesmal, wenn ein Brief an Dich abgeht, bekommt Vater auch einen.

Mir geht es noch immer gleich. Noch immer im selben Kaff, noch immer dieselbe Beschäftigung, immer kälter, immer nasser – ja, noch immer gutes Essen, och, und noch immer die gleiche Verpflegung. Ich bin’s satt! Was? Das Fleisch, Fett und diese verflucht Büchsenwurst!! Seit ein paar Tagen bekomme ich Schüttelfrost, wenn ich etwas von dem Zeug sehe. Und wenn ich mir das noch den ganzen Winter vorstelle, überläuft es mich ganz kalt.

Ob wir nun den Winter über hier bleiben, weiss natürlich niemand. Mal lauten die Latrinenparolen so, mal so. Mir scheint jedenfalls das Bleiben wahrscheinlicher. Für den Fall, dass wir hier bleiben sollten, ist uns Urlaub, gute Verpflegung und genügend Unterhaltung versprochen worden!! Hoffen wir also das Beste!

Unser Krieg hier ist noch immer ganz ruhig. Es ist schon gefährlicher hinter der H.K.L. wo sich Banden zusammengeschlossen haben und auf eigne Faust Krieg spielen. Dafür baumeln sie auch, wenn sie geschnappt werden.

Nun mal wieder Schluss!

Alles Gute und die herzlichsten Grüsse an Dich, Günther und die Omas!

Heil und Sieg!
Gustav.