Gustav Roos an Bruder Günther, 4. November 1941
Russland, am 4.11.1941
Lieber Günther!
Die Tage in Bjelew sind nun auch vorbei. Übermorgen geht’s weiter, und zwar vielleicht nach Tula. Na, diese 120 km werden wir wohl auch noch schaffen, wenn wir beinahe 2000 km gemacht haben. Hoffentlich gehn wir nur recht bald zur Ruhe über! Ja, Russland ist ein Matsch! Das fiel uns schon sehr unangenehm auf den letzten Märschen auf. Noch unangenehmer machte sich das bei 3 Dingen bemerkbar, nämlich beim Essen, beim Rauchen, bei der Post. Ja, mit unserer Verpflegung war es zeitweise sehr knapp. Ein paar Tage hat uns dann die „Ju“ versorgt und nun ist alles wieder O. K., wir haben wieder Fressalien en masse, aber nun die Post, seit dem 15. ohne einen Schnippel Post, das ist traurig! Die letzte Nachricht von Euch stammt vom 16.9., von Vater datiert die
letzte Nachricht vom 2.9. Wir trösten uns damit, dass die Post ja nicht verloren geht und wir einmal alles nachbekommen! Aber mit der Post fehlt auch das Rauchmaterial, und das ist sehr bitter! Mit meinen Zigaretten bin ich schon lange am Ende. Noch 50 g Krüll für die „[?]“-Pfeife und dann ist’s ganz aus! Prost!!
Nebenbei, ich beginne nun ernstlich Russisch zu lernen. Lesen, schreiben kann ich schon ganz gut; denn die Schrift gleicht sehr stark dem Griechischen: [ABCDEFGHIKLMNOPQRSTUVWZ ......]. Dazu kommen dann noch einige Laute, die wir im Deutschen nicht kennen, wie je = E, ja = [..], ju [..], tsche = [..] und dsche = g. Die Sprache an sich ist nun schon komplizierter. Diese vielen Konsonanten!! Jedoch haben viele Worte, z. B. Vater, Mutter, Familie, Haus, Hof ihre Wurzel auch im Griechischen, d. h. dem Indogermanischen. Die Worte des modernen Lebens, der Kunst, der Technik, sind in der Mehrzahl den mitteleuropäischen
Sprachen entnommen. Aber trotzdem ist Russisch verdammt schwer.
Nun folgen einige Gratulationen:
Mutter schrieb mir von Deiner Beförderung zum Fähnleinführer! Ich habe mich sehr darüber gefreut, und spreche Dir, mein liebes Kletteräffchen, die herzlichsten Glückwünsche aus!!
Und nun das wichtigste:
Lieber Günther!
Zu Deinem Namenstag sende ich Dir die herzlichsten Grüsse und wünsche Dir alles Gute!!
Für heute Schluss! Bald weiteres!
Heil und Sieg!
Gustav.