Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 17. November 1941
Russland, am 17.11.1941
Liebe Mutter!
Wir sind wieder marschiert, von Bjelew aus ostwärts. Es waren wieder harte Tage. 25-30 km täglich, bei einer grimmigen Kälte, an einigen Tagen -25°, und durch hohen Schnee. Die Strassen waren glatt wie Eisbahnen. Das Marschieren war ein dauerndes Rutschen und Schlittern. Und dann in der Nacht vom 14. zum 15.noch einmal eine anständiger Marsch und wir waren mal wieder am Ziel – Tula! Nun sitzen wir nicht weit vor der Stadt in einem Dorf. Der Russe vor uns. Zu Deiner Beruhigung: Diesmal brauchte ich nicht mit nach vorn zur Kmp. sondern bin beim Btl., das Gottseidank noch in Häusern liegt. Die Kmp. liegen Tag und Nacht mit 50 % draussen. Das ist Scheisse! Der Russe liegt in den Nachbardörfern und friert genauso wie wir. Trotzdem kämpft er wieder verbissen. Jeden Morgen hat er bis jetzt einen Angriff gemacht, ohne Rücksicht auf
Verluste. Am gestrigen Morgen blieben so Russen tot, ohne Verwundete. Bei uns kein Toter. Den Tag über haben wir dann abgesehen von einigen Arigrüssen Ruhe. Nun zur Kälte! Ja, ich hab’ es mir schlimmer vorgestellt. 25° -, mein lieber Mann, das schnitt ja richtig an alle freien Körperstellen. Frei waren bei mir allerdings nur Augen, Nase und Mund. Angezogen hatte ich: Unterwäsche, Drillichanzug, Poullower, Tuchanzug, Mantel, 2 Paar Strümpfe auf dem Kopf unter dem Kopfschützer noch kunstvoll die Badehose gelegt und über den Fingerhandschuhen noch ein paar klotzige Fausthandschuhe, die ich mir in Bjelew habe machen lassen. Du siehst, so lässt es sich noch gerade aushalten.
Gestern kam nach langer Zeit einmal wieder Post. Zwei Briefe, vom 9. u. 16.10. von Dir, einer von Günther, einer von Vater vom 14.9. und 1 Päckchen mit Keks, eins mit Kastanien und zwei mit 44 Zigaretten, dazu noch ein Zigarettenpäckchen von Onkel Jupp.
Wenn man so lange Zeit nichts mehr bekommen hat, dann ist die Freude doppelt so gross. Und Zigaretten, na, da hungerte ich ja nach!!
Die Sache mit Herrn Wilhelm hat mich ja umgehauen, das war je zu toll. Mir tut nur Adolf und Frau Wilhelm leid.
Flöns schrieb mir, er habe gehört, Lupus sei hier im Osten gefallen. Stimmt das?
Vater hat die Hoffnung jetzt nach Hause zu kommen. Bin mal gespannt! Es geht ihm sonst ganz gut.
Auch ich kann so gesundheitlich nicht klagen. Ausser etwas Erkältung und periodischem Durchfall geht es mir gut.
Also bitte keine Angst und keine Sorge, es geht schon alles gut!!!
Nun noch ein paar Wünsche:
1. Skizzenblöcke!! (bei Isabella zu 20 Pf!)
2. 1 ganz weicher Bleistift!!
3. Radiergummi
4. Bleistiftspitzer
5. Zeitschriften (Reich, Simpli, Hamb, Kreuzworträtsel Heft)
Liebe Mutter! Die Lösung des Zeitungsproblems war wieder typisch. Tun Dir die 80 Pf mal wieder sooo leid?!
6. wie immer Zigaretten, oder Feinschnitt mit Blättchen und Süsses!!! (Wie steht es mit selbstgebackenem?!!)
Also, liebe Mutter! Bitte, bitte!!
Geld kommt bald auch wieder. Seit 4 Dekaden haben wir nichts mehr bekommen. Daher die Stockung! Nun will ich für heute Schluss machen. Wenn es möglich ist, folgt morgen oder in den nächsten Tagen ein Brief an Günther!
Alles Gute und die herzlichsten Grüsse! Vielen Dank für Briefe und Päckchen!
Heil und Sieg!
Gustav.