Gustav Roos an Bruder Günther, 28. Dezember 1941

Radom, am 28.12.1941

Teures Stück Bruder!

Aus meinem letzten Brief wirst Du wohl entnommen haben, dass es mir ausgezeichnet geht und dass ich auch ganz gut über die Feiertage gekommen bin.

Hier im Lazarett komme ich mir beinahe vor, als sei ich mitten aus Russland ins Märchenland geraten. Ein Leben für die Götter! Morgens 7.00 wird man wach, dadurch dass einem ein weibliches Wesen hold lächelnd und einen „Guten Morgen“ piepsend das Thermometer unter die Achselhöhle schiebt. Ist die Temperatur gemessen und der Puls gefühlt, stürze ich aus dem Bett, putze mir die Zähne wasche mich und stürze mich wieder in das frisch gemachte Bett. Das war das Vorspiel!

Der nun folgende Tag lässt sich in 5 Abschnitte einteilen, jeder davon umfasst eine Mahlzeit. Die Pausen dazwischen werden ausgefüllt mit rauchen, schreiben, lesen, Radio hören.

Nun zum Essen:
1. Frühstück. 8.00

Tee oder Kakao mit Weissbrot, belegt mit dick Butter und Aufschnitt.
2. Frühstück, 10.00
Bouillon mit Ei oder Wein mit Ei, dazu (siehe 1. Frühstück!)
3. Mittagessen 12.00

Kurz das, was man mir bisher mittags vorsetzte.

24.12. Linsensuppe

25.12. Hühnersuppe
Huhn auf Reis
Pudding mit Kompott

26.12. Schweinebraten
Kartoffel
Spargel mit sauce hollandaise
Kompott

27.12. Hühnersuppe
Huhn auf Reis
Äpfel

28.12. Rinderbraten
Kartoffel
Erbsen
Pudding mit Kompott

15.00 kommt der Kaffee. Jeden 2. Tag und Sonntags Bohnen, dazu Weissbrot, Butter, Gelée und Kuchen.

18.00 Abendessen
Tee mit Weissbrot, Butter, Belag.

Ich glaube dazu brauche ich nichts mehr zu sagen. Täglich gibts noch 12 Zigaretten. Ausserdem gibt’s in der Kantine noch zu kaufen Zigaretten, Bier, Wein, Sekt, Chokolade, Pralinen, Keks u. s. w.

Von jedem Essen, gleich, was es ist, kannst Du soviel bekommen, wie Du willst!

Und da zweifelt noch jemand daran, dass es mir gut geht?! Mit meinen körperlichen Beschädigungen ist auch alles in Ordnung. Morgen bekomme ich Klamotten und darf ausgehen. Morgen gehe ich dann auch gleich zum Zahnarzt und lasse meine Zähne in Ordnung bringen.

Ich hoffe und bete nur für eins, nämlich, dass ich noch etwas hier in Radom bleiben kann und dass man mich nicht sofort an die Front schickt, sondern mich mal zuerst zum Ersatzhaufen in der Heimat schickt!

Nun also schreibt mir bitte bald einmal!
Frohes
neues
Jahr!

Herzlichste Grüsse an Dich, Mutter, Vater und alles andere!

Heil und Sieg!
Gustav.