Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 15. April 1942
Goslar, am 15.4.1942
Liebe Mutter!
Ich sitze in einem Hotel und warte auf mein Essen. Wahrscheinlich zum vorletzten Mal; denn Freitag soll es losgehen. Dann wären die schönen Tage vorüber. Sie waren wirklich zu schön, und wir haben sie uns wirklich so angenehm wie möglich gemacht. Wenn die Angelegenheit auch etwas kostspielig war, so ist das, denke ich mir, mit dem Wort „Russland“ zu entschuldigen. Was ist so am Tage gemacht habe, ist kurz zu erzählen. Natürlich so wenig Dienst, wie möglich, dann raus aus dem Bau! Vielleicht einmal in die Umgegend von Goslar, auf den Steinberg, an die Oker, zur Goslarhalle, oder ein Bummel durch die Stadt mit all diesen alten schiefen Fachwerkhäuschen. Die Frühjahrssonne scheint warm, ein blauer Himmel lacht, Mensch, es wird Frühling! Na, dann in ein Café, in eine Kneipe. Essen tun wir fast immer in einem Gasthof. Der Weg zur Kaserne, wo wir unser Essen bekommen, dauert eine halbe Std. und das Essen selbst ist genau so schlecht, wie das Göttinger. Und man kann in einigen Lokalen noch ganz gut
essen, mit und ohne Marken. Und am Abend sitzen wir wieder in einem Café bei einer Portion Eis, hören unmögliche Hottmusik und gucken netten Beinchen nach! Um 22.00 müssen wir schon im Bau sein. Länger Urlaub gibts nicht.
Da es nun Freitag losgehen kann, habe ich heute meine Aktentasche mit Inhalt (Schubürste, 2 Hemden, Strümpfen und Taschentüchern) als Wertpaket nach Brühl geschickt. Es geht mir noch ganz gut, wie Du siehst, und auch mit Russland habe ich mich abgefunden und kann nun der Abfahrt wieder gefasst entgegensehen. Mit meiner Beförderung und meiner ordengeschmückten Brust bin ich nun auch endlich in die Reihe der „alten, im Kampfe ergrauten Krieger“ eingerückt. Ein Unteroffizier, der noch nicht ausgezeichnet ist (und das sind die meisten bei uns) kann mir doch gar nicht mehr. Und die meisten in der Kompanie haben auch noch keine Kugel pfeifen gehört. Die staunen uns natürlich auch an. So stehen die Aktien nun. Morgen schreibe ich Dir nocheinmal, was los ist. Nun alles Gute und die herzlichsten Grüsse!
Heil und Sieg! Gustav
Nun schreib mir bitte noch einmal an Gefr. G. R. Goslar, postlagernd.
Bin ich noch hier hole ich ab, sonst kommt er ja an dich zurück.