Gustav Roos an Bruder Günther, 8. Mai 1942

Russland, am 8.5.1942

Lieber Günther!

Endlich kann ich Dir einmal wieder aus Russland schreiben. Was hatte ich im Urlaub, überhaupt im Reich die Nase voll von diesem Land! Und was war es doch ein komisches Gefühl, als wir zum ersten Mal während unseres Marsches auf der Rollbahn, und damit der Front entlang, zum ersten Male wieder Schüsse fallen hörten und Artilleriefeuer bekamen! Als ich dann wieder vorne war, bei den „alten Säcken“ da war alles wieder, wie es einst war, so als wäre ich immer da gewesen und nie hinausgekommen wäre. Wenn ich mich auch nicht gerade glücklich fühle, so weiss ich doch, dass es sein muss, und wir müssen uns damit abfinden, so gut es geht!

Vorgestern Abend wurde in unserem Abschnitt ein Angriff gemacht. Wir sind zu solchen Operationen absolut nicht mehr in der Lage. So machte ein neuaufgestelltes Btl. die Sache. Und wir konnten einmal zusehen. Es war ein toller Feuerzauber! Zum 2. Male hörte und sah ich unsere Do-Geräte wirken. Da kann einem die Hose mit Grundeis gehen, wenn man nur zusieht! Na, das Ziel wurde erreicht, wir übernahmen die Stellungen. Der Russe machte am anderen Tage noch 2 Gegenangriffe, aber erfolglos.

Wir liegen in einem Bunker mit 15 Mann auf höchstens 9 m². Diese Enge in dem düsteren Loch kannst Du Dir nicht vorstellen. Da die Rollbahn wegen des hohen Matsches vorläufig gesperrt ist, ist die Verpflegung wieder knapp geworden. Und mein Appetit ist bei der frischen Luft ins Unermessliche gestiegen. Nachts friert es, dass es kracht, schneit, und über Tag taut es und der Matsch ist kniehoch. Das ganze Gelände ein Sumpf, kilometerweit überschwemmt. Ich laufe herum und besitze nur mehr das, was ich am Leibe trage, dazu Decke, Waschzeug und – Badehose, alles andere haben wir beim Ers. Btl. gelassen, als wir hier aufgeteilt wurde; denn hier hat keiner mehr. Alles andere ist bei der „Frontbegradigung“ verschütt gegangen!

So das wäre mal wieder genug für heute. Schreibt mir bitte sofort nach hier! Und viel und oft! Zeitungen und Rauchwaren stehe ich auch nicht abgeneigt gegenüber! Ich schreibe demnächst wieder!

Nun alles Gute und die herzlichsten Grüsse!

Heil und Sieg!
Gustav