Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 18. Juni 1942
Russland, am 18.6.1942
Liebe Mutter!
Als erstes möchte ich Dir mitteilen, dass ich gestern eine Menge Päckchen erhielt und zwar 5 mit selbstgebackenen Plätzchen und 2 mit Chokolade, diese 7 waren von Dir, dazu eins von Tante Uta mit 26 Zigaretten. Vielen Dank!!
Leider war aber wieder kein Brief von Euch dabei und ich möchte doch wissen, ob es Euch noch gut geht und ob der Tommy evt. auch in Brühl war.
Mir geht es hier bei der Division ausgezeichnet; eine Erholung! Wir haben etwas Unterricht, mal eine Funkübung und im übrigen „hören“ und „geben“ wir eifrig. Mir tutet am Abend der Kopf von lauter „didadidid“. Ich habe es in den 4 Tagen nun schon auf 70-75 Buchstaben pro Minute gebracht. Und das freut einen denn ja auch!
Und nun muss ich Dir noch einiges erzählen von dem, was zur Zeit hier vorgeht!
Du weisst ja, dass nördl. der Rollbahn, in unserem Rücken also, noch eine Front war, bestand aus Partisanen und russ. Luftlandetruppen. Dort haben nun einige Divisionen mal aufgeräumt und eingekesselt. Nun haben sich einige Verbände gerettet. Nun kommt es: In unserem Trossdorf 2 km hinter der Rollbahn gehen zwei Fahrer an den Waldrand, um etwas Holz zu holen. Sie gehen durch die Büsche, auf einmal springen zwei Russen da heraus, halten die Hände hoch. Als sie beim Rgt. ankommen und verhört werden, stellt es sich heraus, dass es ein russ. Generalmajor und ein Major sind.
Einer geht in der Nacht auf die Latrine. Als er fertig ist und aus dem Häuschen herauskommt, steht er vor einem Russen. Der, erschrocken, hebt die Hände hoch und lässt sich abführen. Es war ein Leutnant. Weiter wurden so und
auf ähnliche Art noch 7 weitere Russen aufgegabelt. Und wie kamen die nun dahin? Aus der Einkesselung hatte sich ein Rgt. durchgeschlagen, sich in den Wäldern aufgehalten und wollte nun, vom Hunger getrieben über die Rollbahn zu den regulären russ. Truppen durchbrechen. Um nun zu erkunden waren mehrere Offiziere vorgegangen. Sie hatten wir geschnappt. Das war vorgestern Nacht. Die Leute sind nun gestern verhört worden. Sie waren alle moralisch vollkommen fertig, ausgehungert, und sagten aus, was man wissen wollte.
Was nun mit diesem Rgt. wird, weiss man noch nicht. Ob sie nun noch durchbrechen wollen oder sich vielleicht ergeben -?
Das ist russischer Krieg!
Nebenbei liegt hier bei uns auch ein russisches Rgt., bestehend aus Kosaken, die Führer sind meist weissrussische Emigranten, die 1914-18 flüchteten und nun
freiwillig zu uns kamen. Sie tragen alle deutsche Uniform, aber ohne unsere Farben und Kokarde. Dafür haben sie rote Spiegel mit zwei gekreuzten Schwertern. Die Leute gehen ran wie Blücher. Viele tragen Sturmabzeichen und E. K. Tolle Sache, nicht?
Thema: Russische Flugblätter! Man hat uns jetzt mit einer Sorte überrascht, deren Inhalt durch nichts zu überbieten ist. Erstens hat man Karten abgeworfen. Welche Karten?? Kusskarten!! Ganz wie unsere Lebensmittelkarten, nur stehn statt Eier od. Butter Küsse darauf. Küsse aller Art. Man konnte wirklich noch davon lernen!
Dann konnte man in einem anderen Blatt lesen, in Deutschland würden nun die ganzen Betriebe militarisiert und Dr. Ley habe schon überall das „Hauptfeldwebelsystem“ eingeführt. Und nun kommt der Clou!! Deutschland hat Kinder nötig! Zu diesem Zweck ist für einen bestimmten Block ein Mann
bestimmt, der die dazunötige Arbeit hauptamtlich zu bewältigen hat. Bei Impotens hat er einen Ersatzmann zu stellen. Besonders leistungsfähige Exemplare werden mit dem „Deckorden“ ausgezeichnet oder zu „Deckoffizieren“ ernannt!! So zu lesen in einem sowjetischen Flugblatt!! Was kann man dazu sagen? Wohl nur sich totlachen!! Die Sache ist ja zu naiv! Dem Russen könnte man ja so etwas erzählen, der gar keine Verbindung zur Heimat mehr hat. Aber wo bei uns doch immer welche frisch aus der Heimat kommen, muss man schon mit anderen Sachen kommen. Na, jedenfalls wir haben uns gefreut!!
Es geht mir natürlich immer noch ausgezeichnet. Mein Appetit wächst immens. Täglich komme ich fast immer auf ¾ Kommissbrot. Ich habe Tage gehabt, an denen ich ohne besondere Anstrengung 1 ganzes herunterbekam! Das sind Leistungen.
Brot gibt es zur Zeit, soviel man haben will, und schönes helles Brot. Und denke mir nicht, dass ich eine Scheibe „trocken Karo“ esse, für jede Schnitte habe ich auch immer Belag! Abends, wenn ich so meine Portion vor mir sehe, denke ich immer mit Bedauern an Jünni! Wirklich! Unsere Verpflegung ist tadellos!!
So, das soll für heute genügen! Sobald ich Post bekomme, schreibe ich wieder!
Nun alles Gute und die herzlichsten Grüsse!
Heil und Sieg!
Gustav
Sendet mir bitte
1. 2 Hef. Nachr. Blitz
2. einen Winkel
3. Zeichenmaterial!! (Günther weiss Bescheid!)
4. Die franz. Kladde, die ich Euch von Göttingen zurücksandte!
5. Feuersteine u. Dochte für Feuerzeug!
Liebe Mutter!
Gerade kam ein Kamerad vom Btl. und brachte mir zwei Briefe, einen von Dir und einen von Günther, in denen ich zum ersten Mal etwas näheres über den Angriff auf Köln erfuhr. Das ist ja furchtbar! Man könnte weinen vor Wut! als wir hörten, dass 44 Flugzeuge abgeschossen worden seien, nahmen wir ja auch an, dass es schlimm gewesen sei. Aber dass so viele Flieger da waren, so viel vernichtet ist, daran hat niemand gedacht. Das ist etwas, woran man immer denken muss in diesem Krieg! Das kann kein Angriff auf Canterbury rächen, das muss jeder Engländer immer wieder zu spüren bekommen!!
Nun noch kurz einige Worte an meinen lieben Bruder:
Teurer Bruder!
Du fiese Möp! Vielen Dank für Deinen Brief und Skizzenblock! Aber wenn ich nicht bald irgendwelchen Farbstoff, Buntstifte also, und 2 weiche Zeichenstifte nebst weichem Radiergummi bekomme, wünsche ich Dir Schwemmsteine in den Bauch und bei Gelegenheit könntest Du mit einem nackten Landser ringen!! Sieh Dich vor!! Falls Dir das Geld ausgegangen sein sollte, lege ich grosszügig wie ich bin 5,- bei! Mein Lieber, ich warte noch bis zum 5.7., wenn dann aber nichts hier ist, -
Alles Gute!
Heil und Sieg!
Gustav
Brief folgt!