Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 21. Juni 1942
Russland, am 21.6.1941
Liebe Mutter!
Noch immer liege ich bei der Division und mache einen auf Funkkursus. Wir haben ein ruhiges Leben und es besteht kein Grund zu klagen. Nur das Wetter ist eine Katastrophe, wenn es auch schon einmal bald Frühjahr geworden wäre, jetzt ist es nicht mehr feierlich. Täglich Regen. Dass es Ende Juni noch so kalt sein kann, dass wir tatsächlich frieren, dass wir tüchtig einheizen müssen, kannst Du Dir wohl kaum vorstellen. Und wie war es im vorigen Jahr? Eine Bullenhitze schon. Ja, in der kommenden Nacht jährt
sich der Tag, an dem es losging, gegen Russland. Als am Bug die Geschütze wummerten, als Stukaschwarm um Stukaschwarm über uns herbrauste, als die ersten gewaltigen Erfolge bekannt wurden, wer dachte daran, dass wir in einem Jahr noch immer kämpfen würden. 3-4 Monate – Und wir marschierten in der glühenden Hitze, weiter durch den zähen Schlamm der herbstlichen Rollbahnen, im Schnee und klirrenden Frost des russischen Winters. Ein halbes Jahr Feldzug machte ich mit. Wenn ich mir heute alles überlege, so komme ich zu dem Schluss, dass mir der ganze
Feldzug an und für sich nicht soviel geschadet hat. Ja, wir haben verdammt viel mitmachen müssen, vieles, dass uns vorher unmöglich schien, durchhalten müssen, aber wir alle sind dadurch härter geworden, hier haben wir gelernt unser Zuhause und unsere Heimat zu schätzen und durch den Krieg haben wir über manches nachgedacht und auch anders gedacht. Körperlich glaube ich auch nicht, dass mir dieses alles geschadet hat. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass der Feldzug ein angenehmes Erlebnis war. Aber danach fragt man uns
ja nicht. Und so müssen wir weiter machen und hoffen, dass es weiter so gut geht wie im Vorjahr und wir nach dem Sieg wieder gesund nach Hause zurückkommen!!
So, und nun noch ein Kapitel, dass uns am meisten interessiert: Urlaub. Wie ich höre, hat man den Prozentsatz der Urlauber von 5 % auf 12 % monatlich erhöht. Wenn das so weiterläuft und nichts dazwischen kommt, könnte ich damit rechnen, noch einmal vor Weihnachten nach Hause zu kommen! Vielleicht ist es ja auch möglich, dass im Herbst die Aussicht auf eine Beurlau-
bung zum Studium besteht. Das wäre ja noch schöner! Nebenbei: Studium! Man hat mir erzählt, dass ein Erlass herausgekommen sei, nachdem nach 2 Dienstjahren im Kriege, die Studienkosten ganz gestrichen würden und nach 3 Jahren eine Beihilfe von 50,- dazukäme! Das wäre ja prima! Ich werde mich, wenn ich zum Btl. zurückkomme, danach erkundigen und Euch das Ergebnis mitteilen!
Weiter möchte ich noch etwas zu den Päckchen sagen:
Du kannst Dir ja denken, dass etwas aus der Heimat hundertfach besser schmeckt, eine
Eckstein von Euch ist besser als die herrlichste Attika von hier. Und dass ich mich über alle Päckchen ganz gewaltig freue, ist klar. Aber ich möchte nicht, dass Ihr Euch etwas abzieht!! Schickt mir bitte nicht alle Chokolade, sondern esst selber zuerst einmal davon! Und was übrig ist, schickt los! Mit den Zigaretten mach’ es bitte so, dass Du sie zur Hälfte Günther gibst! Also mach’ das so! Was ich bisher an Päckchen bekommen habe, weisst Du aus dem letzten Brief. Illustrierte habe ich alle bis zur No. 23, dazu ein „Reich“. Nummeriere doch auch die Päckchen immer. Das würde
die Quittierung gewaltig erleichtern! Wenn Günther mir das Zeichenmaterial schickt, bekommt er eine Extrabelohnung!
Und sonst brauchst Du Dir, ja keine Sorgen zu machen. Mir geht’s gut und dem Löwen waggeln die Zähne. Vorläufig hat er noch keine Lust zu beissen. In Russland ist es ja noch verhältnismässig ruhig, aber Rommel arbeitet ja gewaltig in Afrika. Heute ist ja endlich auch Tobruk gefallen.
Es ist bekanntlich ein Winterfeldzugsorden gestiftet worden. Leider komme ich ja um den rum, dafür habe ich