Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 8. August 1942
Russland, am 8.8.1942
Liebe Mutter!
So gerne es mir leid tut, ich muss Dir mitteilen, dass wir am 5. doch nicht von hier weg machten. Also wir liegen noch immer am selben Platz. Ich bin noch bei der Kompanie und werde todmüde und saublöde bei all dem Nichtstun. Los ist natürlich auch hier nichts. Im allgemeinen wird sehr wenig geschossen. Mit schweren Waffen setzt er höchstens ab und zu mal was an die Rollbahn, uns bedenkt er mit ein paar Gewehrschüssen und M-G.-Salven. In der Nacht zum 5. und 6. war rege Flugtätigkeit. Iwan, der Stolze kam mit einer ganz beachtlichen Menge und wie üblich fielen seine Eier dort, wo sie niemand weh tun. Auch für die Vervollständigung meiner Flugblattsammlung sorgte er. Er kann es nicht lassen, er kennt
uns immer noch nicht; denn er versucht noch immer uns zur Übergabe zu bewegen. Gestern schrie einer in der Nacht in regelmäßigen Abständen zu uns hinüber, die deutschen Gefangenen hätten es ja so gut bei ihm und wir möchten doch so nett sein auch zu kommen. Vorgestern nacht machte er dasselbe Theater mit einem Lautsprecher. Ich meine, er sollte besser schön ruhig sein und sich freuen, dass wir vorläufig noch nicht kommen!
Etwas neues hat es bei der Kmp. gegeben: einen Wehrmachtsrundfunkempfänger, ein fabelhafter Koffer, mit dem man aber auch alles bekommen kann. Den ganzen Tag, von morgens 6 – spät nachts um 2 läuft der Kasten natürlich. Auch gerade, es ist 1.30 und ich mache meine Nachtwache, spielt er tolle Hotts.
Morgen, bzw. heute, werde ich einmal wieder zum Btl. raufgehen, um meine Wäsche zu wechseln und zu hören, was es Neues gibt. Nachmittags wandere ich mal zur Sauna ins Trossdorf runter.
Es ist wieder sündhaft heiß, bei der kleinsten Bewegung läuft der Schweiß nur so den Buckel herunter. Wir danken Gott, dass wir jetzt nicht, wie im Vorjahr, zu tippeln brauchen, wenigstens noch nicht. Einmal wird das schöne Leben ja auch aufhören.
Die Verpflegung ist zwar nicht mehr gerade so gut, wie im Mai und Juni, aber das liegt wohl an der Jahreszeit. Auf jeden Fall kann man noch immer zufrieden sein! Mit Marketenderwaren werden wir leider auch nicht mehr so bepflastert. Seit über einem Monat haben wir nichts mehr bekommen
und so bin ich wieder etwas knapp an Rauchwaren und warte sehnsüchtig auf die Namenstagspäckchen. Davon habe ich bisher nämlich nur das mit dem roten Tuch bekommen. Mit Post sieht es nämlich z. Z. traurig aus. Sie kommt ziemlich langsam und selten.
Traurig sieht es weiterhin mit Briefpapiere, bes. Couverts aus. Und darum sag’ Du bitte Frau Tittmann, ich dankte recht herzlich für die beiden Päckchen mit Zwieback und Zigaretten. Sobald ich einmal wieder Papier habe, werde ich selbst schreiben! Meine göttliche Tante Auguste wird es mir ja bestimmt nie mehr verzeihen, dass ich nicht persönlich schreibe. Aber es geht diesmal leider nicht. Also bestell’ Tante Uta die herzlichsten Grüße und Glückwünsche zum Namenstag und danke bitte auch für
ihr Namenstagspäckchen. Ich werde, wenn Nachschub kommt, nachholen!
Von Vater habe ich schon 14 Tage nichts mehr gehört, von Dir und Günther kamen die letzten Briefe auch vor gut einer Woche. Hoffentlich kommt morgen etwas!
Wie geht es Dir? Was machst Du den Tag über? Hoffentlich nicht „tüten“! Schreib’ mir bitte recht bald und möglichst oft wieder! Für heute will ich nun schließen. In den Brief lege ich wieder 20,-! Weiteres folgt laufend! Luftfeldpostmarken für August haben wir noch nicht bekommen!
Nun wünsche ich Dir alles Gute und sende Dir, den Omas und diesmal besonders auch Tante Uta die herzlichsten Grüße!
Heil und Sieg!
Gustav