Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 26. August 1942

Russland, am 26.8.1942

Liebe Mutter!

Nun kommt endlich wieder regelmäßig Post. In den letzten Tagen erhielt ich von Dir 2 Briefe von Anfang August, einen Skizzenblock und 8 Päckchen, mit (2) Zigaretten, Plätzchen, Schokolade, Pralinen, Zucker und Feuersteinen. Vielen Dank!!

Nun zu mir! Mir geht es gut, beinahe wieder ausgezeichnet, nur sind wir alle jetzt ziemlich müde, aber das wird auch wohl bald wieder behoben sein. Wie ich Dir schon schrieb, sind wir nach den Angriffen nun wieder an einem Flüsschen zur Verteidigung übergegangen. Unsere neue Stellung war in den ersten

Tagen sehr unruhig, an einem Tag machte der Russe 5 Angriffe, aber nun ist es ruhig; Iwan hat den Durchbruch hier als zwecklos aufgegeben. Bei unserem Nachbarregiment hat er es nun die letzten 2 Tage versucht, leider mit etwas mehr Erfolg. Er nahm dort ein Dorf. Daraufhin kamen gestern nachmittag Stukas, eine Stunde lang, ohne Pause; wir haben das mit dem Fernglas beobachtet. Es war toll! Ganze Quadratkilometer Dreck flogen in die Luft, überall fing es an zu brennen, dazu schoss unsere Artillerie ohne Aufzuhören, und immer wieder heulte der „Wolf“. Der „Wolf“, so nennen die Russen

ein Raketengerät, das so seine 60 Schuss auf einmal heraus jagt. Seine moralische Wirkung ist ungeheuer. Glühend leuchtend sausen die Geschosse und heulen dabei, dass wir schon Angst bekommen. So also flog der Russe im wahrsten Sinne des Wortes heraus! Wenn das O.K.W. meldete: Schwere Abwehrkämpfe östl. Wjasma, dann waren wir dabei. Einmal vorige Woche wurde „ein niedersächsisches I.R. erwähnt, das in harten Kämpfen zwei Brückenköpfe genommen habe, das waren wir!

Wir in der Staffel hatten in der letzten Zeit auch eine Masse Arbeit, lange Leitungen und eine Unmenge Störungen.

3 Tage hatte ich eine Zwischenvermittlung zwischen dem Btl. und Rgt., nun bin ich mal wieder Funker und halte Verbindung mit einer Kmp. Wir liegen herrlich in einem Waldzipfel, unsere Bunker haben wir nun auch fertig. Das Essen ist tadellos. Du sagst, von Pudding allein kann der Mensch nicht leben. Ich sage: Kann er doch! Heute habe ich nämlich fast ausschließlich Pudding gegessen und unsere Feldküche hatte sich aber auch gewaltig angestrengt. Die Wälder hier stehen dicht voll mit herrlichen Himbeeren, Pilze gibt es genug, unser Tross hat einen Molkereibetrieb aufgemacht, außer Milch gibt es nun auch noch Butter ausser der Reihe. Im Dorf

gibt es mal wieder genug Honig. Heute noch haben mich 2 Bienen, obwohl ich ganz harmlos in respektabler Entfernung von den Stöcken stand, ins Gesicht gestochen. Gemeinheit! Marketenderwaren hat es nach 1 ½ Monaten endlich auch mal wieder gegeben. Pro Mann 2 Fl. Rotwein, ½ Fl. Cognac, ¼ Likör, Apricot Brandy, und auch Gott sei Dank Zigaretten. Gerade nämlich wieder in den Kampftagen sass ich ganz „ohne“.

Dann noch etwas: Ich habe einen neuen Orden, und zwar den „Gefrierfleischorden, offiziell „Winterfeldzug im Osten“! Ich bekam ihn, weil ich 14 Kampftage im Winter mitgemacht habe

und dabei verwundet wurde. Das Bändchen hat zwei dicke rote Streifen und dadurch laufen zwei schmale weiße und ein schwarzer. Wohin mit all den Auszeichnungen?!

Ich danke Dir für Deine Glückwünsche zu meinem Geburtstag! Ja, nun bin ich nämlich bald „grossjährig“ und kann tun und lassen, was ich will, d. h. könnte ich, aber versuch’ mal! Leider kann ich es doch nicht, trotz Grossjährigkeit! Ich freue mich schon auf die Kilopäckchen! Du hast das richtige getroffen! Außerdem bitte ich noch um folgendes: Pfeife, 1 od. 2 paar Socken, Schreibpapier, Bleistifte und dann

ein Taschenmesser. Mein altes ist zu einer Säge geworden. Vielleicht bekommst Du bei Wichterich ein neues!

Von nun an kommt wieder meine Post in alter Regelmäßigkeit. Vater und Günther schreibe ich heute auch noch mit Luftpost.

Und nun, liebe Mutter! mach’ Dir keine Sorgen, jetzt ist es ja wieder vorbei und es kommen ruhigere Tage!

Ich wünsche Dir alles Gute und sende Dir, den Omas und T. Uta
die herzlichsten Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav