Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 3. September 1942
Russland, am 3.9.1942
Liebe Mutter!
Vielen Dank für die beiden kg-Päckchen und für das Briefpapier. Es wird Dich auch freuen, dass sie pünktlich auf den Tag, nämlich am 2. Sept. abends ankamen. Ein Päckchen Plätzchen habe ich schon verdrückt. Sie waren fabelhaft, wie immer. Die andern und die Schokolade knibbele ich jetzt so nach und nach auf.
Weiterhin bin ich nun 21 Jahre alt und somit mündig. Schade nur, dass mir das nun aber auch gar nichts nutzt.
Und nun zum Geburtstag! Es ist klar, wenn ich Geburtstag habe, ist was los. Voriges Jahr mußte ich an dem Tag 5, 6 mal umziehen, dieses Jahr kam es noch schöner. Der Tag fing wunderbar an. Um Mitternacht sassen wir 3 Fernsprecher zusammen bei Rotwein, guten Zigaretten, Keks und Schokolade. Dann kamen der Kmp-Chef und die Melder dazu und nun wurde Rum gesoffen, ich sage „gesoffen“, denn solche Mengen Rum habe ich noch nie auf einmal zu mir genommen. Bis gegen 5.00 dauerte die Tour, dann melkten wir noch
„Lydia, die Milchkuh“, frühstücken und legten uns auf die Pritsche.
Bis 14.00. Da kommt auch schon einer in den Bunker gerannt: „Das Dorf brennt!!“ Diese komischen Häuser brennen wie Zunder, der Brand war nur noch 2 Häuser von uns entfernt. Die Sache war brenzlich; denn in unserem Haus lagen einige 100 Handgranaten und über 10000 Schuss Munition. Also alles raus! Aber es ging noch einmal gut. Vor unserem Haus machte das Feuer halt. Wir assen – es reichte nur für Kartoffelsalat mit Gurken und Pflaumenkompott – und ruhten. Mittlerweile hatte der Russe Spaß an dem schönen Feuer bekommen und flitschte mit Leuchtspur auf das Strohdach unseres Hauses. Es dauerte nicht lange und es stand in Flammen. Unser Bunker liegt dicht am haus, wir mußten ihn räumen. Gott sei Dank begann er nicht zu brennen. Als die Gefahr vorbei war, konnten wir wieder einräumen. Dann hiess es den Qualm ausnutzen und tarnen; denn durch den Brand des Hauses hatte unser Bunker seine ganze Deckung und Tarnung verloren. Das beschäftigte uns bis zum Dunkelwerden.
Nach dem Essen: „Leitungsstörung“. Raus auf Störungssuche! Und als wir die Leitung geflickt hatten, war mein Geburtstag vorbei und ich konnte mich schlafen legen.
Dafür hatten wir dann auch heute einen ruhigen Tag!
Es geht mir ausgezeichnet. Dich wird das ja wundern, aber es ist tatsächlich so. Ich kann nicht sagen, dass ich den Kram so satt bin, wie im Vorjahr. Seitdem ich zu Hause war, fällt mir alles viel leichter. Dazu weiß ich auch heute ganz genau, dass ich hier stehen muss und bin stolz darauf hier sein zu können. Natürlich nach Hause, nach dem Urlaub, sehnen wir uns alle. Aber wir haben auch warten gelernt. Was bedeuten hier in Russland schon ein Kilometer, was ein Tag?
Wenn es gut geht, ist es nicht ausgeschlossen, dass ich noch Ende dieses Jahres nach Hause kommen kann. Hoffentlich klappt der Laden! Dann werden wir mal wieder alle Feste des Jahres nachholen! Vielleicht sind wir alle 4 zu Hause!
Mit Marketenderwaren werden wir einmal geradezu wieder überschüttet. Allein für über 40 Rm an Rauchwaren habe ich gekauft. Mit Zigaretten bin ich bis Weihnachten versorgt! Ich werde auch Günther davon einiges schicken. Verpflegung noch immer tadellos!
So, und nun noch eins: Mach’ Dir keine Sorgen! Du siehst doch, dass man es gut aushalten kann!
Ich danke Dir noch einmal für Deine Geburtstagspäckchen und sende Dir die herzlichsten Grüße!
Heil und Sieg!
Gustav