Gustav Roos an Vater Toni, 7. September 1942
Russland, am 7.9.1942
Lieber Vater!
Deinen Brief vom 22.8. mit Briefpapier erhielt ich gestern. Vielen Dank! Dein Bericht vom 19., dem Landungsversuch in Dieppe, war sehr interessant. Hoffentlich klappt die Sache immer so; denn es wäre peinlich, wenn wir auch dort noch eine aktive Front bekämen!
Was nun bei uns los ist? Ja, es ist bescheiden! Wir liegen noch immer an der gleichen Stelle in Abwehr. Wir haben immer gehofft, der Russe würde einmal wieder ruhiger. Keine Spur! Wenn er auch in den letzten Tagen nicht mehr bei uns angegriffen hat, so ist doch täglich beim linken oder rechten Nachbarn etwas los. Bei uns ist es folglich ruhig. Aber wie sieht diese „Ruhe“ aus? Der Russe beglückt uns täglich mehrere Male mit Granatwerferfeuerüberfällen, seine M-G., M-P. und Karabiner hacken den ganzen Tag. Unsere dürfen, um die Stellung nicht zu verraten, nicht schiessen. Wie schon gesagt, seit die Häuser in Brand geschossen wurden ist es mit unserer Bewegungsfreiheit aus. Trotzdem müssen die Leitungen in Ordnung bleiben! Nachts legen die feindlichen M.G. ein dauerndes Planstörungsfeuer auf unseren Abschnitt. Die Nächte selbst sind stockfinster, dichter Nebel jede Nacht. So ist es dem
Russen gelungen, sich mit einer Gruppe auf dem diesseitigen Ufer des Flusses festzusetzen. Peinlich! Wie ich auch schon schrieb, ist unser Abschnitt sehr groß, die Besetzung verdammt dünn. Einziger Trost ist, das wir satt schwere Waffen haben und wenn das Wetter gut ist, auch immer Stukaunterstützung . „Iwan“ sucht uns neuerdings auch mit Schlachtfliegern zu imponieren. Aber die Kerle haben zu viel Angst.
Ich bin noch immer bei der Kmp., funke und flicke Strippen. Und das flicken ist eine unangenehme Sache, wenn Du durch gezieltes Feuer musst.
Der Russe hat infolge seiner Angriffe sehr große Verluste gehabt.
Über unseren Angriff vom 16. und 17. haben wir erfahren: Am 16. morgens hatte sich der Russe bereitgestellt, um nach Norden durchzustoßen, und damit einen Keil, der von unseren Truppen nach Osten hineinstiess, einzukesseln. Wir hatten ursprünglich die Aufgabe, 10 km weit durchzustoßen und eine eingekesselte Kampfgruppe herauszuschlagen. An diesem Morgen liefen wir aber in die Bereitstellung des Feindes hinein, kamen nicht weiter, aber es gelang uns, wenn auch unter schweren Opfern, den Feind 48 St. aufzuhalten, solange, bis unsere schweren Waffen heranwaren. Unser Btl. stand an diesem Tage allein 2 russischen Schützenbrigaden, also einer 8 fachen Über-
macht gegenüber. Den Russen hat das tiefgetroffen. Aus Gefangenenaussagen erfuhr man weiter, dass der Russe die Gefangenen unseres Regimentes sämtlich durch Genickschuss erledigt hat. Unsere Kmp. mußten am 16. ein Stück Gelände aufgeben und liessen dort notgezwungen einige Verwundete und Tote zurück. Als sie am folgenden Tage wieder vordrangen, hatten die Bolschewiken alle Zurückgelassenen getötet und verstümmelt, einem Schwerverwundeten Leutnant hatten sie beide Augen ausgestoßen und ihm mit Bajonetten das Gesicht immer wieder durchstoßen. Das sind keine Greuelmärchen, du weißt , dass ich bisher noch nie so etwas erzählt habe, das ist das erste Mal, dass ich das mit Bestimmtheit weiß!
Nun zu einem erfreulicheren Thema: Unsere Verpflegung ist grossartig, bedenklich gut, als Zusatz Rotwein, Schnaps, alle Tage Drops, jeden 2. Tag eine Tafel fabelhafter belgischer Vollmilchschokolade. Marketenderwaren bekommen wir auch satt. Das magst Du daraus ersehen, dass es mir möglich war, Günther gestern ein kg-Paket nur mit Rauchwaren, bestehend aus 2 Paketen Feinschnitt, 5 Zigarren, 2 Zigarrillos, 15 Stumpen und 50 Zigaretten, zu senden. Dass ich mich selbst natürlich gut eingedeckt habe bedarf wohl keiner Frage!
Im übrigen und trotz allem geht es mir noch immer ausgezeichnet. Op uns können se met der Spitzhack’ erömkloppe, uns kriejen se net kapott!!
Mir ist es gelungen diesen Monat 2 kg-Päckchen-Marken zu organisieren. Da fällt Mutter wahrscheinlich vom Stengel. Aber ich habe vor, mir jetzt schon einige Sache für den Winter schicken zu lassen.
Ja, und nun mal wieder Schluss für heute! Schreib’ mir bitte bald wieder!
Ich wünsche Dir alles Gute und sende Dir die herzlichsten Grüße!
Heil und Sieg!
Gustav