Gustav Roos an Vater Toni, 17. September 1942
Russland, am 17.9.1942
Lieber Vater!
Vielen Dank für Deinen Brief vom 5.9. Seit gestern bin ich wieder beim Haufen. Freiwillig; denn auf dem Hauptverbandsplatz gab es zu viel Läuse, knapp Verpflegung und, da sich das Zimmer nicht heizen liess, fror ich den ganzen Tag. Natürlich bin ich noch nicht dienstfähig. Ich mache zur Zeit Vermittlung auf dem Bataillon, bin also „Fräulein vom Amt“. Nachts 3 Std, am Tage noch einmal 2-3, das ist meine ganze Arbeit. Wir haben ganz anständige Bunker, Verpflegung ist gut, außerdem gibts Kartoffel und Milch, das genügt und der kleine Mann ist wieder zufrieden!
Und nun zu meinen Splittern! Eine Skizze der linken Hand! Die Wunde heilt gut. Ab und zu schmerzt sie noch, eitern tut sie nicht. Aber, die ganze Stelle, die auf der Skizze schwarz ist, ist taub, ohne Gefühl. Der Arzt sagt, da sei wohl ein Nerv beschädigt, und das würde wohl auch so bleiben. Bewegen kann ich alle Finger tadellos. Wie ich schon schrieb, ist der Splitter im Rücken drin geblieben. Allgemeinbefinden: zufriedenstellend. Ja, ja, es ist nun schon kalt geworden, es hat sogar schon zweimal gefroren. Im Augenblick regnet es, zwei Tage nun schon, ununterbrochen. Folge: alles ein Matsch! Wir stehen also unmittelbar vor dem 2. russischen Winter. Und, dass das ein angenehmes
Gefühl ist, kann man nicht gerade sagen. Wenn wir auch fest davon überzeugt sind, dass es in diesem Winter nicht noch einmal so doll wird, aber vor dem langen, unheimlichen Winter kann einem doch ein wenig bang werden. Wir bereiten uns schon auf die Kälte und den Schnee vor, trotzdem es nicht amtlich ist, dass wir hier liegen bleiben. Das einzige Erfreuliche ist, dass mir der Winter wahrscheinlich den Urlaub bringen wird, vielleicht um oder nach Weihnachten. Aber bis dahin kann noch viel geschehen!
Wir haben uns tadellose Bunker in die Erde gewühlt. In einer Waldspitze steht Bunker an Bunker, pro Bunker 4 Mann. Öfen haben wir uns selbst gemauert, nach russischem Vorbild. Hier können wir es schon den Winter über aushalten!
So, und nun wieder Schluss für heute!
Alles Gute und die herzlichsten Grüße!
Heil und Sieg!
Gustav
Noch eine Bitte! Schick’ mir doch Briefpapier und vor allem Couverts! Wir bekommen nichts von hier!!!
(Habe geschickt)