Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 19. September 1942

Russland, am 19.9.1942

Liebe Mutter!

Heute geht es mir einigermassen besser. Darum sollst Du nun auch sofort den versprochenen Brief bekommen. Vielen Dank für 3 Päckchen mit Süßigkeiten und die Illustrierten, die ich heute erhielt!

Ich bin beim Batl. und mache Vermittlung. Dies wird Dich doch beruhigen!

Nachts 3 Std. und am Tage auch noch mal 2-3 Std. sitze ich am Klappenschrank. Die übrige Zeit wird geschlafen, gelesen, gezeichnet. Wir haben tadellose Bunker gebaut, gross und hell. Zum ersten Mal haben wir hier auch keine „Massenpritschen“, sondern jeder hat sein eigenes Bett. Einen Ofen haben wir uns nach dem Vorbild der russischen Bauernhäuser selbst gemauert. Man lernt immer mehr. Unsere ersten Bunker waren Erdlöcher, eng, dunkel, primitiv. Heute sind unsere Bunker hoch, gross, hell und beinahe gemütlich. Jedes Ding, Brotbeutel, Kochgeschirr u. s. Privatsachen und Waffen alles hat seinen Platz, wie in der Kaserne. Auf dem Tisch liegt eine Wolldecke, in einer Kartusche stehen Feldblumen, ja, wir haben sogar einen Aschenbecher. Für jeden ist so ein Bunker ja nichts, uns ist er aber unser Zuhause und wir sind stolz auf ihn. Die Nachr.-Staffel, 10 Mann, hat 3 Bunker, zwei à 4 Mann, einen à 2 Mann. Ich schlafe in einem der ersteren, „Trocadero-Bar“ heißt er. Der Name „Roos“ bürgt für die künstlerische Innenausstattung. Nach außen ist er natürlich gut getarnt mit Moos und hebt sich nicht von der Umgebung ab.

Nur ein grosses Schild am Eingang

sagt, dass hier mitten im Urwald die „Trokadero-Bar“ ist und „Uniformierten der Eintritt untersagt“ ist.

Und die Verpflegung? Prima! Heute gab’s für 2 Tage: Schmalz, Kunsthonig, Cervelatwurst, Käse, 12 Zigaretten und 1 Tafel Chokolade. Außerdem bekommen wir Kartoffel und vom Tross auch Milch. Saure Milch und Klatschkäse werden gemacht. Unsere Spezialspeise ist das „Tula-Kotelett“, eine Scheibe Kommissbrot „hauchdünn“, auf dem Ofen geröstet, zu geniessen, wenn vorhanden mit Zucker, Fett, Butter, es schmeckt aber in Notzeiten auch vorzüglich „ohne“, eine Delikatesse wird es mit Kunsthonig und Klatschkäse, wie Kuchen!

Das Wetter ist traurig! Regen! Regen! Aber wir danken Gott, dass wir dieses Mal nicht zu marschieren brauchen!! Ja, es ist nun Herbst, bald kommt der Winter! Kein angenehmes Gefühl. Aber auch der wird vorübergehn und dann kommt wieder der Frühling und außerdem bringt mir dieser Winter ja auch wahrscheinlich Urlaub! Wann?! Ich rechne mit Dez. oder Januar. Und darauf freue ich mich! Wie ein Neger, oder wie ein junger Hund op Riss, sagt Vater.

Und nun, liebe Mutter, will ich für heute mal wieder Schluss machen. Ich hoffe, dass ich bald wieder Post von Dir bekomme, einen langen Brief!

Alles Gute und die herzlichsten Grüße Dir und den Omas!

Heil und Sieg!
Gustav

Schick’ bitte, wenn möglich einmal wieder etwas Briefpapier u. Couverts. Wir bekommen nämlich hier nichts!!!!