Günther Roos an Bruder Gustav, 1. Oktober 1941
Brühl, 1.10.41
Lieber Gustav!
Habe dankend Deinen Brief vom 5.9. erhalten. Heute bekamen wir Deinen Brief vom 9.9.
Kochendheißen Dank. Endlich bekamen wir nach 15-tägiger Unterbrechung wieder ein Lebenszeichen von Dir. Wir vermuten, daß Du bei der größten Schlacht aller Zeiten, bei der Schlacht östlich Kiew dabei warst. Die Ergebnisse, die ja hier erzielt wurden, klingen ja wie ein Märchen. 6 65000 Gefangene! Im Ganzen haben wir ja jetzt etwa 2,6 Millionen Gefangene. Zwischendurch gefragt: Wieviele werden jetzt noch leben? Mit diesen Bestien kann man ja kein Mitleid haben, wenn man hört, was sie mit unseren Gefangenen machen. Aber da wirst Du ja noch mehr erzählen können.
So, jetzt etwas aus Brühl! Die 8. Klasse hat sich ein Stückchen geleistet! 3 Mann wurden eingezogen. Also großartige Abschiedsfeier bei Offermann. Als man um 2 Uhr total voll war und auf diese Art Mut bekommen hatte, zog man geschlossen nach Brühl und verübte hier eine solche Freveltat, daß ganz Brühl Kopfstand machte. Man montierte dem Raabe (Du kennst doch noch dieses herrliche Denkmal am Penal) den Kopf ab, trug ihn zum "Häuschen" und feuchtete ihn hier mit Pipi an. (Habe ich mich nicht schön ausgedrückt? Dann zog man befriedigt nach Hause. Da sich aber das schlechte Gewissen regte, gingen 2 Mann nochmals zum Tatort zurück, trafen sich hier, und trugen den Raabe aus seiner für ihn unwürdigen Behausung zum Zeus seinem Vorgarten. Als ich nichtsahnend um 7 Uhr in die Kirche ging, sah ich hier eine Menschenmenge, die grinsend diesen Kopf ohne Mann anstierte. Diese Tat sah nun Zeus als eine Spitze gegen sich an. Am Montag wußte er nun alles, sei es, daß er die Büste in einer kriminalistischen Anwandlung auf Harnkristalle untersucht hat, sei es,
daß er es von einem erfahren hatte. Heute hörte ich nun, die Täter sollen zu einer schrecklichen Strafe verurteilt worden sein. Sie sollen vor versammelter Schule die Büste quer über den Schulhof tragen. Furchtbar! So erreicht er es aber, daß die ganze Schule es erfährt und ganz Brühl über ihn lacht. Tschä, D.B.D.D. H.K.P.U.K.K. U. [Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen und keine kalten Umschläge.]
Da wir gerade einmal bei der Schule sind, soll ich Dir einen schönen Gruß und alles Gute von H eini bestellen. Du sollst auch tüchtig malen, hat er gesagt.
So, sonst alles Gute! Wünsche Dir bei Matuschka Rußland noch viel Vergnügen und Hals- und Beinbruch!
Günther