Günther Roos an Bruder Gustav, Herbst 1939
Lieber Gustav!
Wie geht es Dir? Wahrscheinlich gut, denn Du wirst ja jetzt nicht mehr von den „Menschenquälern“ gepiesackt. Da wir gerade von der Schule sprechen, fällt mir etwas ein. Neulich schrieb ich Dir, Jvano wäre fort. Das stimmt nicht, denn er lebt noch und zwar im Duisburger Krankenhaus. Er liegt im Streckverband und ist schwer leidend. Er hat eine Sportverletzung. Diese „Sportverletzung!“ ist noch vom vorigen Herbst und hervorgerufen durch einen Jungen aus der ehemaligen 8. Klasse, jetziger Arbeitsdienst. Noch eine Änderung: „Affen-Jimmy“ ist weg und dafür ein ganz junger Kaplan da, mit Namen Dreesen, im Gegensatz zu Drese. Dann etwas ganz wichtiges: Am Freitag erhielt Paul folgende Karte: Vorne als Ansicht einen Pudel mit der Unterschrift: „Bist Du mir böse?“ Auf der Rückseite ein Spruch in Geheimschrift, die aber ganz primitiv war. Es wurde nämlich jedes Wort rückwärts geschrieben. Leider kann ich ihn nicht auswendig(den Spruch). Wenn ich aber Paul treffe, sage ich ihn Dir am Sonntag, wann wie wahrscheinlich kommen. Als Absender stand da: „Kilometerfresser“ --- (Ich sehe hinten Paul) --- Der Spruch heißt so: Ein Buscherl zum Scheißen/ein Straußring zum Schlagen/ein Dirndel zum Lieben/muß ein
lustiger Buar haben/Kilometerfresser. Am Montag erhielt ich beiliegende Karte. Auch hier wieder eine ganz primitive Geheimschrift. Ich überlasse es Deinem Scharfsinn(viel ist dabei nicht notwendig) sie zu entziffern.
Am Donnerstag werden wir in der 5. und 6. Stunde die Bänke der 5.,6., 7. und 8. Klasse ausgeräumt. Einquartierung! Heute Nachmittag hatten wir bei Wellen turnen! Wir machten eine Wanderung. Als wir auf der Liblarerstraße waren, wurde die plötzlich abgesperrt und riesige Massen Militärautos, Motorräder, Tankabwehrgeschütze und sooo eine Menge Soldaten kamen vorbei. Ob das das Frühjahrsmanöver ist?
Halt! noch eins! Versuche heraus zu bekommen, wovon die Karten kommen. Paul und ich stehen vor einem Rätsel. Bis Sonntag.
Heil Hitler!
Günther