Günther Roos an Vater Toni, 28. August 1944
Celle, den 28.8.44 [Datum im Original abgeschnitten. Es wurde von Günther Roos ergänzt.]
Lieber Vater!
Nach alter Sitte will ich den heiligen Sonntag dazu benutzen, um Dir zu schreiben. Ja, nun bin ich fast schon wieder eine Woche in Celle. Der Lehrgang dauert 17 Wochen, d.h. bis zum 19.12. Wenn ich den ganzen Lehr -gang hierbleibe, bestände die Aussicht, endlich einmal Weihnachten zu Hause zu sein. Denn Urlaub ist und bleibt die Hauptsache beim Kommis.
Die Tage bisher waren einzig. Ich habe schon viel Hitze erlebt, aber das war das tollste. Mittags stieg das Thermometer regelmäßig auf 40 Grad im Schatten. Hierbei Dienst zu machen ist natürlich ein Vergnügen für sich. Ein Glück, daß es den Lehroffizieren genau so warm war. Sobald der Dienst um 17 Uhr zu Ende war, packte ich meine Klamotten zusammen und ging beschwingten Schrittes schweißtriefend zum Schwimmbad. Blieb regelmäßig bis 9 Uhr dort. So war das Leben einigermaßen erträglich. Anschließend wurde im Dorf gegessen und noch etwas gebummelt. Denn Schlafen
war auch so eine Sache. Daß die Luft nicht die beste war, wenn 11 Mann auf einer Bude liegen, ist der Mief schon ziemlich beträchtlich. Heute ist nun Sonntag. Es sieht so natürlich schon trüb aus. 1.) haben wir bis 15 Uhr Dienst. 2.) beginnt es natürlich zu regnen an. Während leise plätschernd ein Vortrag über Ausbildungsgrundsätze an mein Ohr brandet, ist draußen ein zackiges Gewitter. Der Himmel ist grau in grau. Es klärt sich auf zu einem Dauerregen. Daß es am Sonntag immer regnen muß, ist ein unerforschtes Naturgesetz. Es wäre ein dankbares Gebiet für unsere Forscher, diese Zusammenhänge aufzuklären. Das wären so die Dinge, die hier in Celle sich so tun.
In Frankreich sieht es nach meiner Meinung beschissen, wenn auch nicht hoffnungslos aus. Bin einmal gespannt, wie der Laden läuft. Bei dem bösen Feind scheint die Tendenz zu bestehen, einmal an der Seine entlang, andersmal entlang der Rhone vorzustoßen, sich zu vereinigen und somit Südfrankreich abzuschneiden und unsere, sich dort befindlichen Truppen zu kassieren. Eine sehr kluge und raffinierte Operation des Feindes! Der Tommy hat doch sehr von uns gelernt. Bin wirklich einmal gespannt, wie der ganze Laden laufen wird. Nach meiner Meinung steht und fällt der Anglo-Amerikaner mit seiner ungeheuren Luftüberlegenheit. Gelingt es uns durch eine neue Waffe diese zu vernichten, so ist die Lage schon durchsichtiger. Ich bin fest Überzeugt, daß dieser Tag demnächst kommen wird. Es heißt für uns Zeit gewinnen. Der Engländer weiß das und setzt alles daran, uns noch vor her zu vernichten. „General Zeit“ spielt jetzt
für uns eine ungeheure, entscheidende Rolle.
Da der Unterricht nun so langsam seinem Ende zugeht, will ich nun ebenfalls schließen. Vorher jedoch noch eine Vertrauensfrage: Wie ist es in Reims mit Zigaretten oder anderen Rauchwaren bestellt? Hier gibt es jetzt nur noch 2 Zigaretten pro Tag. Am 1. erhalten wir die Sachen für den Monat: 62 Stück. Bei bester Einteilung reichen sie 1 Woche d.h. 3 Wochen Nichtraucher. Traurig aber wahr!
Erhielt soeben Deinen Brief vom 21.8. In Frankreich gehts also toll zu. Hast noch einmal Schwein gehabt, aus dem Hexenkessel heraus-zu kommen. Was machst Du jetzt weiter?
Alles Gute und
Heil Hitler!
Günther