Günther Roos an Vater Toni, 13. Januar 1945

Im Westen, 13.I.45

Lieber Vater!

Dieses luxuriöse Papier war eigentlich nur für Liebesbriefe gedacht. Da ich aber zur Zeit keine so glühende Liebe besitze, mißbrauche ich es schon, um Dir hierauf meinen Lebenswandel mitzuteilen. Dieser ist nun unterschiedlich. Meine Einheit liegt noch immer in dem Eifelnest an der luxemburgischen Grenze in Bereitschaft. Unsere Hauptbeschäftigung besteht darin, daß man wunderbare Spaziergänge durch tiefverschneite Eifelberge machte oder auf Pirsch zog. Also mehr oder weniger ein Winter-Kuraufenthalt. Unter diesen Umständen war mein Befinden natürlich bestens. Leider war nur die Verpflegung etwas knapp, sonst hätte ich auch noch zugenommen. Aber die Hauptsache ist ja, daß man sich gesundheitlich wohl fühlt. Da die Heilung der Verwundung auch normal verläuft, konnte ich also zufrieden sein. Äußerlich habe ich mich übrigens auch etwas verändert. Setze Dich aber zuerst einmal bequem hin! Ich habe mir mit zärtlichster Pflege und stetiger Fürsorge einen herrlichen Schnäuzer wachsen lassen. Ein Wort sagt alles: Elegant. Willi Birgel würde vor Neid Selbstmord verüben.

Aus diesem beschaulichen Dasein wurde ich nun herausgerissen. Mit einem Sonderauftrag war ich einige Tage bei unserem Schwesterregiment, das im Einsatz

steht. Es war schön, wenn auch ziemlich anstrengend. Gestern Abend kam ich endlich wieder hier an, dreckig wie ein Schwein, hungrig, durchgefroren und müde. Rund 80 Stunden hatte ich kein Auge mehr zugemacht, als Nahrung während dieser Zeit diente mir eine 2 cm dicke Scheibe Kommisbrot, belegt mit Daumen und Zeigefinger.

Nun fühle ich mich - nachdem ich wieder rasiert, gewaschen, mit Speisen vollgestopft und ausgeschlafen bin,- sauwohl. Ist ja auch verständlich. Allerdings machen meine Nerven eine ziemliche Belastungsprobe im Augenblick durch. Draußen herrscht eine Saukälte, fast mit Rußland zu vergleichen. In meiner Bude steht ein Ofen. Bewußter Ofen hat aber die unangenehme Eigenschaft, schrecklich zu qualmen. So stehe ich also abwechselnd vor folgenden Tatsachen: Entweder ist es saukalt in dem Schuppen, da ich die Fenster offen habe, oder es ist warm und man kann vor Qualm die Hand nicht vor den Augen sehen. Keine reine Freude.

So, nun will ich aber einmal schließen. (Die Tinte ist alle.) Post habe ich seit 1 1/2 Monaten keine mehr erhalten. Weiß noch immer nicht, wo Du Dich eigentlich befindest.

Alles Gute und viele Grüße!

Heil Hitler!
Günther