Günther Roos an Vater Toni, 1. Februar 1945
Im Westen, 1.II.45
Lieber Vater!
Vor mir liegen einige Briefe von Dir, die ich vorfand, als ich nach achttägiger V.B. Tätigkeit zurückkam. Der letzte ist vom 22.12.44. Kochendheißen Dank! Du machst also noch immer Denkingen unsicher. Du beneidest mich um die Zeit in Xanten. Ja, das kannst Du wohl mit Recht, denn sie war wirklich einzig. Leider haben sich aber die Zeiten geändert. Nun, Du weißt ja schon Bescheid. Nun sind wir im dicksten Einsatz. Wahrhaft tolle Tage liegen hinter mir. Vor acht Tagen zogen wir hier in Stellung. Die Batterie stand wie gewöhnlich am Hinterhang. Am Vorderhang sollte ich meine Beobachtungsstelle beziehen. Da der Vorderhang unter Feindeinsicht lag, konnte ich natürlich nur in der Nacht schanzen. Am Tag mußte alles unter der Erde verschwunden sein. Also ran! Unter normalen Umständen wäre dies kein Problem gewesen, aber da wir im Gebirge sind, und Gebirge die unangenehme Eigenschaft besitzt aus mehr oder weniger großen Steinen zu bestehen, war die Sache schon schwieriger. Ich kann Dir sagen, daß wir geschuftet haben wie die Wilden und mit Hilfe
von Sprengungen und der Kreuzhacke gelang es uns endlich. Dann noch als Decke zwei Lagen Baumstämme, dann die ausgeschachtete Erde drauf und mit Schnee getarnt, und wir waren bei Tagesanbruch verschwunden. Die Leute, die mitgearbeitet hatte, waren restlos fertig. So schickte ich sie zuerst einmal ins "Bett" und stellte mich selbst an das Scherenfernrohr. Um 14 Uhr ließ ich mich ablösen, und fiel gleich wie tot um. Jedoch, was sagt der gute Schiller? "Doch mit des Geschickes Mächten, ist kein ewiger Bund zu flechte. Nach einer halben Stunde wurde ich geweckt und bekam den Auftrag, als vorgeschobener Beobachter zur Infanterie zu tigern. Was ich geflucht habe, kannst Du Dir kaum vorstellen. Meine gute Erziehung habe ich total vergessen. Aber Befehl ist Befehl, und so zockelte ich mit weichen Knien nach vorne, wo ich bis heute Morgen blieb. Obwohl ich kaum mehr als drei bis vier Stunden am Tag zum Schlafen kam, so war es doch eine wundervolle Zeit. Muni hatte ich in rauhen Mengen zur Verfügung, und so konnte ich klotzen noch und noch. 8 bis 10 Salven schossen wir am Tag, und so konnte der Brückenkopf, in dem ich ein-gesetz war, befehlsgemäß bis diese Nacht gegen 100-fach überlegenen Feind gehalten werden. 120 Mann boxten täglich mehrmals die Masse einer Division zurück. Was unsere Infantristen dort gelei-
stet haben, davon kann sich nur schwer einer eine Vorstellung machen. Mehrmals am Tage zurückgeworfen, stürmten sie immer wieder, mit Unterstützung unserer Werfer, n mit brüllendem Hurra! vorwärts und warfen wieder den Ami. Wenn man solches Heldentum, und es war wirkliches Heldentum, miterleben konnte, dann kann man nur an den Sieg glauben. Solche Soldaten sind nicht klein zu zwingen, und der Sieg muß letzten Endes ihnen sein. Es sieht ja im Augenblick wahrlich nicht rosig aus. Der Iwan in Küstrin, Schwerin und Frankfurt. Es ist maßlos traurig, denn daß der Russe nicht rücksichtsvoll gegen Deutschland vorgeht ist klar. Wir müssen jetzt stark bleiben, und dürfen den Kopf nicht hängen lassen, sondern höchstens noch höher halten. Jetzt in der Krisis erst recht!! Ich bin wirklich unendlich froh, jetzt im Einsatz stehen zu können, und den Infanteristen mit unseren Salven zu helfen. Wenn die Salve gut lag und die Fetzen drüben flogen, wenn dann in den sonst ernsten Gesichtern ein kurzes Lächeln erschien, und sie mir zuwinkten, dann war dies für mich der schönste Lohn.
Doch nun genug hiervon. Du bittest mich um Geld und Zigaretten. Ja, lieber Oller soweit ist
es schon. Ich mußte ja unwillkürlich einmal grinsen. Mit Rauchwaren muß ich Dich nun leider enttäuschen. Wir erhalten nur noch 4 Stück am Tag, und das ist bei dem Leben hier so gut wie nichts. Dafür sende ich Dir aber meinen Wehrsold gerne zu, das sind 100 RM. Das Konto umzuändern nähme einen Papierkrieg von mehreren Kilo in Anspruch und würde mindesten 1/2 Jahr Dauer.
Ach, da fällt mir ja noch etwas ein. Stell Dir vor, ich habe wieder Läuse. Ist das nicht wundervoll. Das „Frontschwein“ (kein Schimpf- sondern ein Ehrenname) ist komplett.
Doch nun genug für heute.
Alles Gute und viele Grüße
Heil Hitler!
Günther