Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 10. April 1935
Bergheim, den 10.IV.1935
Liebe Mutter!
Meldung! Arbeitsmann Schmitz Alles in Ordnung! Augenblicklich ist schönes Wetter und das Frühstück schmeckt ausgezeichnet. (Kommisbrot, 2 Schnitten belegt mit Wurst Kraut) Morgens 5 Uhr wecken. Betten bauen. Schwierige Angelegenheit. Bis jetzt bin ich noch ohne Strafe ausgegangen. Dann in der Waschbude waschen unter Aufsicht. Zahnbürste etc. vorzeigen. Flaggenparade, Stube (Wir liegen zu 15 auf einer Bude) in Ordnung bringen. Morgenkaffee, 3 Schnitten natürlich immer doppelt mit Kraut, Wurst u. Käse. Danach Haltungsübungen und Schulung. 10 Uhr Frühstück wieder Doppelschnitten. Mittagessen um 1 bis 2 Uhr. Nachmittags haben wir jetzt zu Anfang Sport. Die Leistungen werden festgestellt. Nach der Dienstzeit werden die selben Bedingungen gestellt. Man will feststellen, ob die Gelenkigkeit oder Kraft durch die Arbeit beeinträchtigt werden.
Urlaub fragst Du? Damit ist es mies. Das ist die einzige Quelle der Unzufriedenheit. 5 Wochen lang heißt es im Lager bleiben. Vorher geht es nicht in Urlaub. Erst muß alles klappen. Also mit Ostern wird nichts. Aber nicht traurig, je größer der Zeitraum desto größer die Freude nach Hause zu kommen. Mein Zivilzeug werde ich in den nächsten Tagen schicken. Nichts darf hierbleiben. Wenn Du mich sähst, ich glaube du würdest lachen.
Ein vollständiger Drillichanzug mit Mütze, Koppel, Halsbinde, Fußlappen und Knoblauchbecher haben
wir schon. Dann ein feldgrauer Militärrock mit Manchester Hose. – Pause –
Nach einstündiger Ordnungsübung (Langsamschritt). Nach Geldempfang 0,60 M. wieder in die Stube. Hundemüd, Muskelkater in den Beinen. Aber doch schön. Heute nachmittag wahrscheinlich 3 km Lauf und Prüfung für Weitsprung. Soviel vom Dienst.
Liebe Mutter mach Dir also keine Sorge. Bei uns in der Stube herrscht rechte Kameradschaft, überhaupt gesunder Geist. 4 sind von Leverkusen. Schmitz Köbes ist im Zug 2. Wir sehen uns nur beim Antreten. Matthaei aus meiner Klasse ist auch hier. Er hofft von der Reichsjugendführung abberufen zu werden. Ich glaub nicht dran. Gott sei Dank es regnet nicht mehr. Die Sonne lacht wieder. Flaischten hat also doch recht.
Liebe Mutter soll ich den Koffer mit Kordel umschnürt schicken. Ich wüßte sonst nicht wie ich den Kram fortbekäme, hier gibt nur Zigaretten und Säuberungsmaterial verkauft und in den Ort kommen wir nicht. Zum 1. Mai geht’s wahrscheinlich nach Köln. Wir sollen einen Aufmarsch machen. Du kannst Dir denken, daß wir aufgeschnäuzt werden. Wenn alles klappt haben wir sicher Heimurlaub. Also Tränen abgeputzt, Kopf hoch. 2 Tage sind ja schon vorbei. Beinahe hätte ich was vergessen. Acheit ist auch hier. Wie er sich fühlt weiß ich nicht.
Viele Grüße und Küsse
Dein Junge
Verzeihe die schlechte Schrift. Wir müssen uns fertig machen zum Essenempfang
Wie geht’s in der Gemarkenstr. 62. Kannst mir mal nach Weißen Sonntag schreiben
Was hat es zum Essen gegeben? Saure Bohnen mit Bratwurst.
Viele, viele Grüße an Alle. Besonders an meine kleine Freundin. Nochmals Grüße u. K.
Dein Rudolf.