Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 30. November 1940

Berg.-Gladbach, 30. November 40.

Mein lieber Rudolf!

Zum morgigen Sonntag, dem ersten Advent, sende ich Dir einen herzlichen + lieben Gruß! Wo ist das Jahr geblieben. Ich hätte bestimmt gehofft, daß Ihr Alle das Weihnachtsfest wieder zu Hause feiern würdet. Aber es ist anders gekommen. –

Zwei liebe Briefe erhielt ich von Dir, vom vorigen Samstag + Sonntag. Recht schönen Dank dafür! Also nach Weihnachten denkst Du in Urlaub zu kommen. Wie ich mich darauf freue! Hoffentlich hast Du eine gute Fahrt! –

Wie es mir geht? Ich bin unruhig + nervös geworden jetzt in dieser Zeit, aber nicht ich allein. Viele Menschen. Frau Jansen sieht auch so schlecht aus. Lingens sind nicht so ängstlich, wenigstens Frau Lingens. Viele Leute sind vom Keller krank! Jetzt bleiben die meisten in der Wohnung. Wer kann dann auch jetzt stundenlang im kalten Keller sitzen. Ob die Leute so oder so krank werden. Zuviel arbeiten tue ich schon nicht, so viel ist nicht da. Und des Abends 6 ½ Uhr fahre ich schon nach Gladbach, später können wir nicht, wegen des Alarms. Morgens sind wir um 7 ¼ Uhr wieder da. Dann halte ich mich auch tüchtig dahinter. Im Hause habe ich ja jetzt nicht viel zu tun, da ich nicht da schlafe. Des Abends kann ich hier allerlei nähen + flicken. –

Nun zum Pelz. Du schriebst doch, Du hättest zwei

gekauft, Abnehmer hätte ich ½ Dutzend. Wenn Du darauf hin Geld hättest! Und umsonst brauchtest Du sie nicht zu besorgen. – Das ist ja fein, daß Du nun den Führerschein hast! Fahre nur nicht so toll darauf los. Da mußt Du also noch vor Weihnachten von L. weg. Bleibt ihr in der Nähe? – Da hattet Ihr am vergangenen Sonntag schönes Wetter. Hier war es naß + regnerisch. Aber jetzt ist es schön klar, aber kalt. Vielleicht kann dann der Engländer nicht so oft + lange kommen. Das ist ja jetzt unsere Hauptsorge. Das Köln’s Oberbürgermeister im Alter von 36 Jahren gestorben ist, weißt Du wohl schon. Auch noch jung. 4 Kinder hatte er. Dann noch eins. Annemie hat an T. Marie ihre Maria Geld geschickt für Blumen aufs Grab zu Totensonntag. Dem Brief hatte sie ein Bildchen von sich + ihren 3 Kindern beigelegt, 2 Mädels und 1 Junge. Nette Kinder. Also hat Vater 3 Enkel. Er hat sicher seine Freude dran, bes. an dem Jungen, auch ein kleiner, blonder. Heute hat Marga geschrieben. Wenn ich den Brief beantwortet habe, schicke ich ihn Dir. Nun ist Schlafenszeit, ich bin müde. Auf morgen! Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir. Und viele liebe Grüße + einen herzlichen Kuß sendet Dir in treuen Gedanken
Deine
alte Mutter.