Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 16. Mai 1942

Köln-Dellbrück, 16. Mai 42.

Mein guter Junge!

Soeben, am Samstag-Nachmittag erhalte ich Deinen so lieben Brief vom 9.5. mit all den vielen guten Wünschen + lieben Worten zum Muttertag. Ich danke Dir dafür recht herzlich, ich habe mich wirklich darüber gefreut! So habe ich doch auch etwas Liebes zum Muttertag. Aber, für mich ist immer Muttertag, denn das ist mir das größte Glück, daß wir uns so gut verstehen. Ja, auch wohl[?] keiner versteht Dich so gut wie ich, und keiner kann unser Verhältnis zueinander ganz verstehen. Wir haben viele bittere, arbeitsreiche, aber auch schöne + frohe Tage zusammen verlebt, und ich bin unserem Herrn + Gott wirklich dankbar dafür. Ja, jeden Tag danke ich ihm für seine Güte + Liebe. Du siehst, daß ich froh + zufrieden bin. Ich bin ja auch gesund + draußen der Mai mit seinen Blüten + Düften. In diesem Jahre blüht der Flieder wie selten. Frau Ermert brachte mir einen wunderbaren Strauß zum Muttertag, er steht auf Deinem Schreibtisch vor Deinem Bild. Auch Hanni kam mit einem Sträußchen schöner Maiglöckchen, es duftet herrlich

Nun möchte ich Dir heute auch schon einen herzlichen Pfingstgruß senden. Ich wünsche Dir ein schönes + frohes Fest! In treuem Gedenken Mutter.

Soll ich da nicht froh sein! Und wenn das Wetter günstig ist, wollen wir morgen früh, Oma, Elli + die beiden Kleinen, vielleicht auch Johanna + ich nach Altenberg. Es sieht zwar wie Regen aus. Das wäre schade. Was wird es jetzt schön sein in Odenthal, der frischgrüne Wald. Und ich freue mich auf das Hochamt im Altenberger Dom. Er ist zu schön. Durch die klaren Fenster, (die alten sind wegen Fliegergefahr herausgenommen) sieht man über den Altar her in den Wald + auf die Anhöhe. Ja, auch ich denke jetzt an viele schöne Wege + Tage, die wir zusammen wanderten. Wie waren wir da froh + zufrieden. Hoffentlich findest Du später eine Lebensgefährtin, die Dich versteht + Dir in allem eine treue Kameradin wird. Möge der Herrgott dazu seinen Segen geben. Ich glaube, Du bekommst garnicht alle meine Briefe. Hast Du den Zeitungsausschnitt von den Kölner Kirchen? Ja, wie viele hier schon gefallen sind, kann ich Dir nicht sagen, es sind über 100. Und so viele Krüppel sieht man. Hans Stuchert war auch in Urlaub als Feldwebel, er ist im Osten. Ich denke, daß Du heute vielleicht in Gol bist? Nun Rudolf schließe ich für heute. 2 Päckchen mit Nüssen schicke ich Dir, etwas Gebäck folgt in ein paar Tagen. Bleibe gesund + froh + sei recht herzlich gegrüßt +

geküsst von
Deiner
Dich l. Mutter.