Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 11. November 1940

Berg.-Gladbach, 11. Nov. 40.

Mein lieber Junge!

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 5.XI., wofür ich Dir herzlich danke. Ja, mein Rudolf, Deine lieben, trostvollen Worte tun mir so gut. Gewiß, die Angst können sie mir nicht nehmen, die müssen wir alle tragen, jeden Abend aufs neue. Es ist eine harte Nervenprobe, besonders jetzt, im Winter, in diesen dunklen Tagen. Und wir werden es noch bis zum Frühjahr bestimmt tragen müssen. Und die E. werden auch immer fanatischer. Sie werfen jetzt Brandbomben in Mengen. Man sorgt + schafft + wer weiß, ob man behält, was man hat, oder ob man noch selbst am Leben bleibt. Jede Nacht fordert Opfer an Gut + Blut! Möge unser Herr und Gott uns beistehen und uns beschützen.

Es ist ein Glück, daß ich um Dich nicht so große Sorge zu haben brauche. Bleibe mir gesund + zufrieden. Mit der Wohnung das lasse ich vorläufig alles mal, wie es ist. Jetzt hat man zu nichts Lust! Nun muß ich Dir noch einiges mitteilen betreffs der Felle. Also Berta hat sich bei Koenen, dem Pelzhändler erkundigt nach der Verarbeitung. Der meinte, ich bekäme die Felle garnicht. An der Grenze würden die Pakete nachgesehen und die Felle beschlagnahmt. Du müßtest erst nach Leipzig um Genehmigung schreiben.

Du könntest selbst auch Unannehmlichkeiten haben. Also ich schreibe Dir die Adresse von Leipzig: Reichsstelle für Rauchwaren
               Leipzig C 1, Thomaskirchhof.

Nun schreibe hin, damit Du Dir keine Unannehmlichkeiten machst, und die Felle uns nicht verloren gehen. Wenn es allzu viel Umstände macht, dann lasse das Ganze bleiben. Sieh mal zu. –

Gestern Nachmittag war ich + Oma + T. Finchen u.s.w. bei Johanna zum Geburtstag. Sie freute sich, sie hatte gebacken. Es war gemütlich dort. Gegen Abend bin ich mit Oma zu Fuß hierher gegangen, da Josef, der Sonntagsurlaub hatte, wieder fort war. Es ist nun auch hier schon kalt und unfreundlich. Bald ist der November ja auch schon zur Hälfte herum, es ist auch gut, daß die Zeit schnelle vergeht. So Gott will, ist doch einmal der Krieg zu Ende. Ob wir es erleben? Der Chamberlain hat es nicht mehr erlebt! Also Rudolf, ich sage mal bis bald. Vielleicht bist Du im Dezember da, dann ist dunkle Zeit schon langsam vorüber, dann hofft man wieder auf das Frühjahr. Nun Gott befohlen, bete für mich!

Ich sende Dir viele herzliche Grüße und einen lieben Kuß Deine
treue Mutter.