Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 4. Dezember 1940

Berg.-Gladbach, 4. Dez. 40.

Mein lieber Junge!

Auch heute sollst Du einen lieben Gruß haben, trotzdem ich seit Samstag keine Post bekommen habe. Ich hoffe aber, daß es Dir gut geht, daß Du gesund + zufrieden bist. Hast Du viel Arbeit? Fangen die Norweger schon an, für das Julfest zu rüsten? So wie wir für Weihnachten? Frau Plantz erzählte mir ja gestern, gerade in Norwegen sei das Fest am wenigsten schön. Am schönsten sei es in Schweden, dann in Dänemark und dann erst käme Norwegen. Na, sie muß es ja wissen. Auf jeden Fall, Richard hat schon wieder gut 14 Tage Urlaub, der kann es aushalten auf Schreibstube. Er ist kaum zu Hause, bleibt auch des Nachts über meist in Köln wegen des Fliegeralarms. Muß der viele Bekannte haben. Aber alle reißen sich ja darum, daß er nur ja kommt. Nur ich nicht! –

Über die beiliegende Karte, die heute früh ankam, freust Du Dich sicher. Auch mich hat sie erfreut. Es ist doch nett vom Herrn Nottbrack, daß er an Dich denkt! Hörtest Du auch noch mal etwas von Herrn Kirste? Und von wem sonst? Am meisten wohl von mir! Nun habe ich meine Weihnachtseinkäufe alle getätigt, nur noch für

Schlößers. Da weiß ich noch nicht recht, was. Heute war ich auch noch mal bei Goyert. Ich habe gesagt, vor Weihnachten hätte ich doch gerne das Bild. Am 21. soll ich es haben. Ich freue mich nun auf Deinen Besuch. Aber so ruhig schlafen, wie da oben, kannst Du zu Hause nicht! Hoffentlich kommen dann die Flieger nicht so oft. Es ist traurig um den Major Wick. Mit 24 Jahren. Ob man noch mal etwas von ihm hört. 56 Abschüsse hatte er. –

Hier ist alles beim Alten. Heute war ich noch mal auf dem Arbeitsamt ein Arbeitsbuch holen. Ich dachte noch mal an die Zeit, da ich so oft hin mußte. Hoffentlich kommt das nicht wieder. – So nun ist es spät, ich will schlafen gehen. Die Engländer sind schon wieder fort. Gute Nacht mein Kind, sei tausendmal gegrüßt + geküsst von
Deiner
Dichl. Mutter.