Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 17. Oktober 1943

Köln-Dellbrück, 17.10.43

Mein lieber, guter Junge!

Es ist Sonntag-Abend. Nun komme ich langsam zur Ruhe, um Dir zu schreiben. Du mußt nämlich wissen, daß ich Oma hier habe. Die letzten Tage hatte ich so viel Arbeit + Unruhe. Alle kommen die Oma besuchen. Sie hat Unglück gehabt, das rechte Schlüsselbein gebrochen und einen Bluterguß am Kopf! Am Mittwoch Mittag kamen sie Alle gut aus Dresden hier an. Ich hatte Finchen geholfen + gekocht,

alle aßen dort, des Nachmittags wurde auch Kaffee getrunken. Da nun die Wohnung noch schmutzig + kalt war, nahm Elli die Oma, Johanna + Liesel mit nach Gladbach. Hanni blieb bei mir. Des andern Morgens früh fuhr Oma mit der Elli wieder nach hier, Joh. + Liesel kamen später. Und da passierte das Unglück. Zwischen Schlodderich + Kieppemühle fuhren zwei Züge aufeinander. Es gab viele Verletzte, glücklicherweise keine Tote. Nun brachte Elli, die leichte Verletzungen am Kopf + am Knie hat, Oma zu mir. Ich holte Dr. Berhausen, der die Oma behandelte, und nun ist sie hier.

Nun hat sie unfreiwillige Ruhe. Sie kann sich ja nicht helfen! Dadurch habe ich nun ziemlich Arbeit. Nicht das ich das nicht gerne täte, (ich trage in etwa meine Schuld ab von meiner Krankheit) aber jetzt fühle ich, daß ich doch noch nicht viel leisten kann. Ich habe 2 Nächte fast nichts geschlafen, und habe viel Kreuzschmerzen. Auch meine Seite spüre ich. Das macht mich nun doch unzufrieden, denn wo soll das hin. Ich hätte gedacht, ich wäre schon stärker. Man müßte etwas zuzusetzen haben. Aber was ist zu machen? –

Nun zu Deinen beiden lieben Briefen vom 8. + 11.10. Ich verstehe

ja nicht, daß das Päckchen noch nicht in Deinem Besitz war. Hoffentlich hast Du es jetzt bekommen. Ich hatte es doch „Dringend“ geschickt! Hoffentlich hat das Obst den Schlafanzug nicht verschmiert! Aus Holland ist auch noch nichts eingetroffen. Ist die Jüterbogmappe hier oder bei den Sachen aus Holland? Ich werde sofort das Gewünschte senden. Ich bin froh, daß es Dir gut geht und gut gefällt. Wie ist die Verpflegung? Herr Kirste denkt doch noch immer an Dich, Du müßtest ihn eigentlich einmal besuchen! Ich glaube, er würde sich freuen. – Seit ein paar Tagen haben wir Ruhe von den Engländern „toi toi“

Es wird ja auch allerlei abgeschossen. Heute war ein Artikel über Hauptmann Frank im „W.B. Er hatte 53 Abschüsse. Sonst gibt es hier nichts Neues zu berichten. Ich glaube das schöne Wetter ist vorbei, es gibt Regen. Heinrich soll nun auch bald kommen. Er hat ein Verlegungsgesuch nach Bensberg eingereicht! – Was hast Du heute angefangen? Ich kann ja jetzt nicht heraus. – Nun will ich für heute Schluß machen. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute! Übrigens warum kommst Du zur Luftwaffe? Doch nur zu einem Kursus? –

Recht herzl. Grüße + einen festen Kuß in Liebe
Deine Mutter.