Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 12. Juli 1940

Köln-Dellbrück, 12.7.40

Mein lieber, lieber Rudolf!

Es geht auf den Abend zu, da wird mir immer das Herz etwas schwer, dann kommt die Sehnsucht nach Dir, mein Junge. Wenn ich sehe, wie dann alles von der Arbeit nach Hause geht, und zu mir kommt niemand. Es ist manchmal zu schwer, immer allein zu sein. Wann mag ich Dich wieder hier haben? Fast ein ganzes Jahr bist Du fort! Sollte man es glauben? Nun scheint nach einer längeren Schlechtwetterperiode mal wieder schönes Wetter zu werden. Es hat aber auch genug geregnet. Ist dort das Wetter beständiger? Wann höre ich wieder etwas. Ich habe rechte Sehnsucht. Dein letzter Brief war vom 28.6. Dein Tag wird ausgefüllt sein mit Arbeit

und voll sein von neuen Eindrücken! Wie ist es sonst, mein Junge. Bist Du zufrieden + seelisch im Gleichgewicht. Ich wünsche es. Ich bin etwas nervös, es kommt wohl daher, daß man so wenig Nachtruhe hat! Man hofft, daß das ja bald besser wird. Wenn wir erst mal den Engländer uns vornehmen! Hier ist sonst alles beim Alten! Neues habe ich Dir ja vorgestern allerlei mitgeteilt!

Ich müßte jetzt nur mal eine Viertelstunde mit Dir plaudern. Du fehlst mir doch so sehr, mein Rudolf! Aber ich bin es ja nicht allein, und ich kann Dir noch schreiben. Andere Mütter haben schon das allerschwerste Opfer bringen müssen. Das ist furchtbar, und sehr schwer zu tragen. Nun hoffe ich, morgen von Dir zu hören, sonst muß ich weiter

warten. Es ist ja das Los der Frauen + Mütter.

Nun Rudolf grüße ich Dich recht, recht herzlich + sende Dir einen lieben Kuß
Mutter.

Schreib‘ mir bitte bald!