Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 26. November 1945

Köln-Dellbrück, 26.11.45

Mein lieber Rudolf!

Du machst mir das Herz schwer, dadurch, daß Du mir immer schreibst, ich solle kommen. Mein Junge, ich kann doch jetzt nicht kommen. Wir sitzen doch so in der Maurerarbeit. Und ich kann die Leute doch nicht allein in der Wohnung lassen. Ich muß doch auch die Wohnung umräumen, damit ich zu Weihnachten fertig bin. Ich habe doch einen richtigen Umzug! Und alles muß ich doch vom Speicher herunterholen. Und so schnell wie früher, geht es bei Mutter nicht mehr, mein Junge! Ich hatte

etwas mit den Beinen zu tun, sie waren so geschwollen. Jetzt, wo ich zur Ruhe komme, kommen die Strapazen der Fahrt erst heraus. Ich käme ja so gerne, um mit Dir alles zu besprechen. Es ist für mich doch auch so wichtig, Deine Zukunft! Vielleicht, wenn der Umzug schneller geht, daß ich doch noch mal schnell komme. Es waren ja so schöne Tage in Lüdenscheid bei Dir! Hoffentlich ist es so, daß wir Weihnachten zusammen sind. Wenn es auch nicht so schön sein wird, wie in früheren Jahren, so wollen wir uns doch freuen, es ist Freude, wir sind zusammen, und wir haben

doch noch unser Heim, wenn auch in kleinerem Maßstab! Es sind ja auch nur noch 4 Wochen bis dahin. Schon nur Dein Bein ordentlich, damit es sich bessert! Ach, was wird es ein schönes Gefühl sein, wenn ich Dich mal wieder daheim habe, und ich nicht immer denken muß, nach einigen Tagen muß der Junge wieder fort ins Ungewisse! Ich bin so froh, daß es Dir besser geht! – Hier ist das Wetter seit heute kalt + naß. Tante Klärchen hatte heute silberne Hochzeit, ich habe gestern, am Sonntag für sie gebacken, und heute war ich einige Stunden da. Es war ganz nett! So hat man zu Hause doch immer Abwechslung

Ich traf auch Combüchens, Georg ist noch nicht zu Hause, sie wissen noch nichts von ihm. Er war auch im Osten. Agnes Böhner hat mich auch schon ein paarmal besucht! Frl. Broich ist Haushälterin in Offermannsheide beim Pfarrer. Herr Baumhof ist bei seiner Schwiegertochter. Josef Baumh. ist seit fast 2 Jahren in Frankreich vermißt! Überall hat der Krieg Lücken + Wunden gerissen! Wir müssen noch Gott danken! Wir wollen weiter beten, das hilft in jeder Lage. Auch Du hast ja nun viel zu beten um Dein Glück! Ich tue es auch!

Und nun zum Schluß sei vielmals gegrüßt + geküsst von
Deiner Dich l. Mutter.