Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 1. Januar 1941

Berg.-Gladbach, 1.1.1941.

Mein lieber Rudolf!

Nun ist der Neujahrstag des Jahres 1941 vorbei, d. heißt fast vorbei. Ich will Dir nun einen lieben, herzlichen Gruß senden. Wie Du siehst, bin ich in Gladbach. Seit gestern Abend. Wir, d. h. Elli, Oma + ich, wir haben hier Sylvester gefeiert, still + gemütlich bei einem Glas Wein. Es war ganz nett. Morgen gehen wir wieder nach Hause, und Elli bleibt bei mir bis Sonntag, so Gott will. Heute früh war es in der Kirche sehr festlich. Ich habe viel an Dich gedacht im Gebete. Möge der Herrgott uns so gnädig durch das neue Jahr führen, wie bisher, dann wollen wir ihm dankbar sein. So viele Wünsche + Gedanken hegt man, aber wir selbst bestimmen ja unser Schicksal nicht. Alles liegt in Gottes Hand. Gestern in der Mitternachtsstunde sind meine Gedanken auch zu Dir gegangen. Wo warst Du, und wie hast Du den Jahresabschluß + anfang verbracht? Warst Du bei Lindh’s, ach nein, eben fällt mir ein, Du bist ja im Kursus. Eure Gedanken werden die Heimat und die Liebe gesucht haben, wie nun so oft im vergangenen Jahre und an den Festtagen. Wie lange wird dieser Kursus dauern? Und wirst Du dann sofort in Urlaub fahren können?

Hoffentlich hast Du eine gute Reise. Wie ist es mit der Kälte. Habt Ihr auch die Ohren gut geschützt, damit Euch nichts erfriert? Sei nur vorsichtig, auch jetzt beim Fahren. Man kommt ja aus der Sorge um Euch nicht heraus. Von hier kann ich nicht viel Neues berichten. Gestern war Frau Perger da und lud mich zu Sylvester ein, sie sei ganz allein. Später kam Frl. Lingens, und bedankte sich für die Blumen, die ich geschickt hatte und auch sie lud mich ein. Aber wir hatten ja schon überlegt, daß ich nach Gladbach ging. Es war das Beste so. Gestern war regnerisches, dunkles Wetter, heute früh war wieder alles weiß geschneit. Mit Elli habe ich heute Nachmittag einen ausgiebigen Spaziergang gemacht. Wir waren nach Rommerscheidt + Romeney. Ich erinnerte mich an Dein Quartier. Es ist so schön im bergischen Land bei Schnee + Frost. Und so klar die Sicht! Wie waren trotz Kälte ordentlich warm + froh geworden und hatten ordentlich Appetit zum Kaffee mitgebracht auf die Bretzel. Nun sitzen wir beim Lampenschein + hören Radio. Das kleine Kistchen von Elli tut es ganz schön. So, nun bin ich gespannt auf Deine Schilderung, wie Du den Neujahrstag verlebt hast. Alles Gute weiter mein Junge + herzlichste Grüße + einen festen Kuß
Deine Dich l. Mutter.