Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 18. Februar 1940

Sonntag, den 18.II.1940

Mein liebes Mütterlein!

Heut‘ ist Sonntag! Jetzt habe ich Zeit um mit Dir zu plaudern. Hier lacht die Sonne vom blauen, glasklaren Winterhimmel. Der Schnee knirscht unter den Stiefelsohlen – einen solchen Winter haben wir lange nicht mehr erlebt. – Hoffentlich hast Du heute am Sonntag Gelegenheit das herrliche Winterwetter auszunützen. Läufst Du noch gerne? Hast Du jetzt auch einen Wandergefährten? Ich denke, daß ich Dich nach dem Krieg wieder begleiten kann.

Margret schrieb, Sie würde nicht zum Wintersport fahren. Sie nützt die Sonntage um mit den Brettern umherzutollen. In Marburg seien auch viele Sportmöglichkeiten.

Deinen lieben Brief vom Freitag, den 9.II. habe ich gestern erhalten. Aber Deinen Vorwurf vom Trinken, den muß ich nun doch abweisen. Liebes Mütterlein, mach Dir man keine Sorge. Ich bin ja doch alt genug – ich weiß doch was ich tue. Zudem ist es ja auch halb so schlimm mit dem Alkohol. Glaub mir, seitdem wir hier im Lager sind habe ich noch nichts getrunken. Ich bin ja selbst froh, wenn ich nicht trinke. So großen Geschmack kann ich den Getränken ja garnicht abgewinnen. Also Schluß mit diesem Thema. Keine Sorge – ich komme so wieder wie ich gegangen bin.

Ja, hier in Pommern will der Frühling noch nicht kommen. Nach wie vor liegt hier noch der blendend weiße Schnee. Schneewehen von Meterhöhe sind nichts besonderes.

Die Bauern, vermummt in Pelzen, fahren mit Schellengeläut im Schlitten durchs herrliche Land – über Feld und See. Die Straßen sind kaum zu erkennen.

Aber bald heißt es Abschied nehmen. Anfang März

sollen wir wegkommen, - wahrscheinlich nach Westfalen. Vielleicht gibt es dann auch Sonntagsurlaub! Ich lasse jedenfalls nichts aus dem Auge. Sobald als möglich komme ich. Von meinem Gesuch habe ich immer noch nichts gehört. Ich bin wiederholt vorstellig geworden. Ich war es satt – habe einmal aufgetrumpft. Jetzt werden die Herren es wohl bald für nötig finden mir ihren Entschluß mitteilen zu wollen. Einmal wieder Pech gehabt. – Macht nichts! – Uns geht die Sonne nicht unter.

Gestern sah ich den Film: „Robert Koch!“ Immer wieder fesselt die Handlung und die hervorragende Spielkunst. Sonst gibt es hier nichts Neues! Ich weiß jedenfalls nichts mehr!

Ich freue mich, daß Du wieder eine sympatische Einquartierung bekommen hast. Grüße den Kameraden von mir.

Herr Schmidtke hat Dir noch nicht geschrieben? Mach ihm mal eine Freude.

Grüße alle liebe Bekannte und Verwandte. Besonders bei Oma.

Dich grüßt und küßt in alter Frische
Dein großer Junge.