Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 22. Juni 1940

Köln-Dellbrück, 22. Juni 40.

Mein lieber, lieber Rudolf!

Heute, am Sonntag sollst Du auch einen lieben Gruß haben. Wie geht es Dir? Dein letzter Brief ist vom 14.6. Ob Du fort bist, oder ob Postsperre ist? Ich bin aber ruhig, ich denke, Du bist gesund. Ich bete für Dich, Gott möge Dich schützen, er wird mein Gebet erhören. Wir hier sind auch etwas ruhiger geworden. Letzte Nacht war’s ruhig, und der Abschluß mit Frankreich hat uns froh gestimmt. Hoffentlich hören auch die Kämpfe nun auf, damit kein Blut mehr fließt. Und dann kommt der letzte, große Schlag gegen England. Dann werden auch wohl die Flieger nicht mehr kommen. Man würde aufatmen und wieder froher sein. Gott gebe, das alles bald zu Ende ist. Es ist ja fast unglaublich, was unsere Führung + unsere Soldaten leisten. In noch nicht 4 Wochen Frankreich am Boden!!! Es ist fast unfaßbar. Man ist stolz, ein Deutscher zu sein. Möge Gott uns den Führer erhalten, damit er seine Pläne noch alle verwirklicht sieht! – Besonderes gibt es nicht zu berichten. In der Familie ist alles in Ordnung. Berta tut mir leid, jetzt in der Zeit allein in Köln. Sie muß schon hart büßen. Von Vater höre ich nichts. Was mag da wohl passiert sein? Ich denke doch oft

an ihn. – Hast Du auch mal wieder Post von Margret? Was schreibt sie. Bald gibt’s wohl Ferien? Hast Du H. Kirste mal geschrieben. Frau Plantz erzählt mir von Richard. Es geht ihm sehr gut, wie er schreibt. Er ist noch auf Schreibstube. Sie hat nun alles schon im Voraus gewußt, wie es kam. Es ist zum lachen! Onkel Arnold hat doch wenig Verständnis für die große Sache. Er hat so viele „wenn + aber“. Immer kommt er mit „früher“. Er hat doch einen kleinen Horizont! Na, er meint es ja gut! Nun weiß ich nichts mehr. Ich denke, daß ich nun doch bald etwas höre, Deine lieben Worte fehlen mir sehr. Alles Gute, mein Kind!

Herzlichst grüßt + küsst Dich
Deine
tr. Mutter.