Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 26. November 1939

Zu Hause, 26.11.1939

Mein lieber, guter Junge!

Gestern erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 16.11. und vom 20.11. zu gleicher Zeit. Hab herzlichen Dank für so viel liebe Worte! Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über jede Nachricht von Dir freue, wie ich alles so und so oft lese und bedenke. Welche Sorge habe ich heute wieder gehabt, als ich heute Morgen das nasse, schlechte Wetter sah. Es ist aber auch in diesem Herbst besonders schlimm. Du bekommst Deine Sachen wohl gar nicht mehr trocken. Wäre man doch des Abends da und könnte Euch umsorgen + pflegen. Hier sitzt man warm + trocken, und man hätte so viel Platz, wie oft wünsche ich, wäre der Rudolf doch jetzt hier. Wir wollen hoffen, daß es nicht allzu mehr dauert, und Ihr Alle heil + gesund nach Hause zurückkehrt! Jetzt, im kommenden Advent wollen + sollen wir besonders viel beten. Heute waren sehr viele Soldaten in der Kirche, heute früh + auch im Hochamt. Mich ergreift das immer, wenn sie so ernst zum Tisch des Herrn gehen. Es gibt doch noch Viele! – Nun zu Deinen Briefen. Mein Kind, Du kennst mich doch, auch ich wünschte Dir, daß Du manchmal andern Umgang hättest, als nur mit mir. Vielleicht schreibt Dir die Margret auch mal wieder. Hast Du ihr denn mal geschrieben? Auch da wünsche ich Dir von Herzen, daß Du das

Rechte treffen mögest! Ich möchte Dir nur das Allerbeste gönnen. Ja, wenn es nun mit Deiner Entlassung zum Zwecke des Studiums nichts wird, müssen wir uns ja auch fügen. Herr, wie Du willst, so führe mich!

Ich freue mich, daß Du H. Bartz mal selbst geschrieben hast, die werden sich freuen + Dir bestimmt mal wieder schreiben. Deine Papiere sind noch nicht gekommen. Herr Jansen ist jetzt in Polen, er hofft aber auf baldige Entlassung. O. Georg hat sich zu Hause wieder eingewöhnt. Heinrich hat es auch noch gut! – Meine Einquartierung bleibt voraussichtlich bis Donnerstag hier. Ich habe es gut getroffen. Ich erzähle Dir mal davon. Heute Nachmittag bis eben, 10 Uhr, waren Schlößers da, Onkel A. hat wieder seine Witze gemacht! Wir haben aber auch an Dich gedacht! Ich habe einen kleinen Stollen gebacken. Morgen geht die Hälfte an Dich ab! Mein Kind, hoffentlich wird das wahr, daß ihr bald in Ruhestellung kommt, und möglichst hier in die Nähe! Das wäre ja zu schön. Ich könnte mal hinkommen, und Du bekämst auch schon mal Urlaub. Ich sehe es ja hier an den Unteroffizieren, die haben allerlei freie Stunden. Vielleicht wäret ihr sogar über Weihnachten hier in der Nähe. Ich wüßte nicht, wie froh ich wäre! Herr Reuland erkundigte sich nach Deinem Ergehen + gab Grüße für Dich mit! Mir geht es gut! Dein Honig ist leider bald alle. Ich merke aber, daß er mein ganzes Wohlbefinden steigert! Für mich ist er Medizin. Ich schreibe so schlecht, ich habe Reißen im Arm + in der Hand, schon längere Zeit. Das nasse Wetter. Jansens haben sogar Wasser im Keller stehen! Das war doch noch

mies. Soeben schlägt es 11 Uhr, oder vielmehr 21 Uhr. Ich will Schluß machen. Hanni schläft schon in seliger Ruh. Sie freut sich auf Weihnachten. Ich muß schon Weihnachtslieder mit ihr singen. Aber sie behält schlecht! In Dellbrück gibt es sonst nichts Neues. Am Mittwoch wurden in der neuen Kirche die Glocken geweiht 2 Stück! Also Rudolf, alles Gute, vor allem bleibe gesund + hab guten Mut. Es denkt in Liebe an Dich
Deine
treue Mutter

Herzlichsten Gruß + Kuß! Auf baldiges Wiedersehen!!??