Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 15. Juni 1935

Köln-Dellbrück, 15. Juni 35.

Mein lieber Junge!

Gern hätte ich Dir heute ein Päckchen geschickt, damit Du zur Wache etwas da hattest. Aber ich hatte so wenig verdient, und ich habe so viele Verpflichtungen, da ging es nicht. Nun mögen Dir diese Zeilen ein bischen Freude bringen. Wie hat der Dienst nach den Urlaubstagen geschmeckt? Nun ist die Woche schon zu Ende! Ich hoffe, daß Du zufrieden bist und auch wohlauf! Alles in Ordnung, mein Kind? Ich bin nun so langsam auch wieder im Lot. Montag gehe ich zum Zahnarzt. Ich habe mit Kamillen gebäht, das tut wohl! –

Nun etwas Neues. Gestern habe ich mich in Bergheim zu den Exercitien angemeldet, und zwar zum 6. Juli. Wir sollen jetzt Ferien nehmen, weil keine Arbeit da ist. Gestern habe ich nichts bekommen, bis Montag! Diese Woche gingen schon viele in Ferien. Nun paßte es so schön, am 6 Juli beginnen in B. die Exerc. f. Witwen und enden am 10 Juli, Mittwochs. Das Eine schmerzliche ist dabei, daß Du wohl am 7. Heimaturlaub hast, und dann dort bleiben müßtest. Aber ich denke, wir könnten uns dann Mittwochs treffen, nicht wahr? Wir überlegen das mal. Kommst Du vorher nicht in Urlaub, dann müssen wir uns darüber verständigen! Vorausgesetzt, daß ich in B. noch angenommen werde, daß nicht schon genügend angemeldet sind. Ich gebe Dir darüber noch Nachricht! Ich freue mich ja sehr auf die Tage. Ich bin gespannt, wie viel Feriengeld ich bekomme. 2 % vom Jahresverdienst. Ich nehme es mal dazu. Es ist eine Erholung, und ich

habe auch Zeit + Gelegenheit, für mein Seelenheil zu sorgen, und für meine Lieben alle zu beten. Auch das ist sehr wichtig. –

Denke Dir Fr. Scharrenbroich ist seit gestern im Krankenhaus, hat heute die letzte Oelung bekommen. Die Ärzte sagen noch nichts Bestimmtes, es heißt, sie hätte etwas am Gehirn! Schrecklich, nicht wahr. Man soll doch über aller irdischer Sorge auch für die Ewigkeit sorgen, denn die letzte Stunde kommt für uns alle. Trotzdem sollen wir fröhlich sein, Gott will keine Traurigen! Ich denke viel an Dich und habe Dich lieb. Auch Vater’s Wohl liegt mir sehr am Herzen! –

Sonst gibts nichts Neues. Fr. von Adrene auf Haus Nielenforst ist gestorben! Morgen ist hier Schützenfest! Heute schlechtes Wetter. Vergangene Nacht ordentliches Gewitter. Es ist 7 Uhr. Der Brief soll noch fort. –

Mein Junge einen lieben Sonntagsgruß + Kuß sendet Dir
Deine
Dich herzlich liebende Mutter.