Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 10. November 1935

Iserlohn, den 10.XI.1935

Meine liebe, gute Mutter!

Zuvor einen schönen Sonntagsgruß! Hoffentlich erlaubt Dir Deine Arbeit den Sonntag in Ruhe und Muße zu verbringen. Spann Dich wenigstens einmal in der Woche aus. Gewiß, es ist schön wenn Du etwas verdienen kannst! Es ist aber zwecklos Dich zu überarbeiten. Der Körper und die Nerven müssen auch einmal Freizeit haben. Gestalte Dir Deinen Sonnentag wie es Dir paßt. Denk morgens im Gebet an mich. Ich komme leider nicht dazu die heilige Meßfeier zu besuchen. Um diese Zeit stehe ich im Stall, mache Streu, putze Pferde usw. Doch auch dabei denke ich unseres Herrn und Gott. Ora et labora! Labora wiegt jetzt eben vor! Ich will aber auch das ora nicht vergessen. Auch ich habe viel zu beten, für Dich, meine Welt, meine Heimat für den Heimatlosen, den armen Vater. Ich werde Euch nie vergessen! Beiden bin ich zu Dank verpflichtet! Auch um meinen kommenden Beruf will ich beten!

Jetzt sei recht herzlich bedankt für Deinen Brief. Ich hatte schon gewartet. Aber ich weiß ja auch, daß Du auch nicht kannst wie Du willst. Übertreibe bitte jetzt nicht mit der Arbeit. Mach nicht, daß ich eine kranke, nervöse Mutter wiederfinde, wenn ich zurückkomme.

Ich weiß, Du willst jetzt anschaffen. Ich verstehe Deinen Ehrgeiz. Es ist aber auch noch Zeit, wenn ich zurückkomme. Dann wollen wir wieder zusammen schaffen und sorgen! Zu Zwein geht es doch besser. Habe ich nur ein wenig Glück dann werden wir die Sache schon schmeißen. Wenn Du jetzt Anschaffungen machst, denk bitte einmal an Dich. Kauf Dir einen Mantel usw. Du mußt alle Tage nach Köln. Bin doch stolz, wenn sich meine Mutter ungehindert überall bewegen kann. Aber Du weißt ja besser was Du nötig hast! Geh’st doch zur Oma essen? Mach Dir nicht die Arbeit. Oma kocht doch einmal. Will Dir übrigens schon mal ein wenig verraten. Hab schon mit dem Christkind gesprochen. Hab schon etwas auf Seite gelegt. Ja, es wird wohl zu dem Geschenk, von dem wir sprachen reichen. Wir verdienen täglich 0,50 M. Brauchst mir also nichts zu schicken! Das Essen ist prima, sollte es einmal nicht reichen, dann holen wir uns eben etwas. Denn wer arbeitet soll auch essen, und arbeiten muß man hier schon. Bin aber auch schon bei der Arbeit angesehen.

Habe leider den Ulli nicht mehr in Pflege. Ich besorge jetzt zwei Remonte Pferde, Gerda und Polar! Schöne, große Tiere! Mit dem Reiten geht es auch schon besser! Es macht doch Spaß. Muskelkater werden wir doch noch manchmal bekommen! Haben auch schon artilleristische Schulungsstunden gehabt. Geschützexerzieren, Theorie über Flugbahn, Geschützkenntnisse usw. Daneben kommt denn der stramme Innendienst und Infanteriedienst.

Haben einige Ältere in der Batterie. Denen fällt es doch schon schwerer! Nur ein Beispiel. Der Kaffeeholer muß sich in 2 ½ Minuten anziehen können. Kostet im Anfang immer Mühe.

Also noch einmal Freßpakete brauch ich wirklich nicht. Nur um eins bitte ich. Schicke mir ein ganzes Paket Putzlappen. Gebrauche viele in der Stube im Stall zum Hufereinigen und Staubwischen im Stall. Dann füge doch bitte mein Notizbuch vom Arbeitsdienst bei. Es stehen alle wichtigen Daten dabei. Dann füge doch bitte die Papiere meiner arischen Abstammung dazu. Und dann bitte Glycerin. Sonst aber bitte nichts. Ich bin kein Kind mehr! Weiß daß Du es schlecht kannst. Du fragst in Deinem Brief, wie es mit der Wäsche ist. Wir müssen die Wäsche abgeben. Arme, alte Frauen holen Samstags die Wäsche und bringen die reine wieder geflickt und gestopft. Strümpfe brauchen wir also auch nicht zu stopfen. Das Wäschegeld wird vom Lohn abgezogen. Weiter wird 0,25 M für das W.H.W. abgezogen und 10 Pf. pro Monat um eine Abschiedsfeier der Batterie zu arrangieren. Unser Batteriechef Hauptmann Schlutius erzählte mir, daß er in Bedburg die Schule besuchte. Er wußte genau wo der Tannenhof liegt. Hat sich eingehend nach unseren Arbeiten bei Bedburg und Frauweiler erkundigt. Er und der Oberleutnant typische Militärs. So ein wenig der Äh, äh Ton. In ihrem ganzen Wesen das Abgehackte, Zackige. Gemütlich ist es nicht. Es geht nichts für einen Zivilberuf. Übrigens erzählte unser Korporalschaftsführer Unteroffizier Hunscher uns, daß wir für

die Feiertage 3 Tage Urlaub bekommen, weiterhin 7 Tage pro Jahr als Erholung. Rate Du nur mal, wie ich den Urlaub einteilen soll?

Jetzt Schluß bis nächstens. Wir wollen Kaffee trinken.

Viele herzliche Grüße an Dich
und alle Verw. u. Bek.

Dein Rudolf.

Gruß Heinz Steimels

Es grüße Dich meine Stubenkameraden!
Hermann Punsmann
Fritz Schulte
Heinz Linden

Kannst Du mir auch irgend ein Scheuerpulver schicken? Dann nochmal, vergiß bitte die Putzlappen nicht!

Nochmals einen Sonntagsgruß
und einen Sonntagskuß
Dein großer und treuer
Junge