Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 29. September 1942

Köln-Dellbrück, 29.9.42.

Mein lieber Rudolf!

Es drängt mich, Dir einen lieben, kurzen Gruß zu senden + Dir zu sagen, daß ich viel an Dich denke! Es ist ein klarer, strahlender Septembertag. Die letzte Nacht brachte den ersten Reif. Gestern Nachmittag sah ich hier in D. den Film „Wiener Blut“. Was war das doch eine schöne Zeit, rein äußerlich gesehen, in der die Menschen lebten, froh, leichtbeschwingt. Uns, der heutigen Generation, mutet das fast wie ein Märchen an. Ein schöner Film, auch in der Ausstattung, und schöne Musik! Wenn Du jetzt hier wärest, heute müßten wir wandern können, ich denke es mir herrlich heute im bergischen Land! Heimweh habe ich nach Dir. Heute ist Michaelistag.

In der Zeitung las ich, daß am 1. Dez.

Semesterbeginn an allen Universitäten ist.

Und Du hast immer noch viel Arbeit? Ja, ich kann es mir vorstellen. Aber schön ist es, Verantwortung zu haben. Alle meine guten Wünschen + Gedanken begleiten Dich! – Ich habe weniger schöne Arbeit: Unterhosen. Warum hat man nicht auch etwas gelernt?

Und nun schließe ich mit einem herzlichen, treuen Gruß + Kuß
Deine Mutter.