Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 30. Mai 1937

Soest, den 30. V. 1937

Liebe Mutter!

Vielen, vielen Dank für Deine lieben, treuen Zeilen. Ein lieber Sonntagsgruß zur Rechten Zeit wirkt Wunder. Trotz des hellen, frohen Wetters, trotz der strotzenden, fruchtahnenden, bunten, klingenden Landschaft waren wir die letzten schönen Maitage in nicht gerade froher Stimmung. Man hatte uns wieder einmal böse Stunden und mürrische, harte Tage bereitet. Aus böser Langeweile entstand wieder der wollüstige Sadismuis. Aber Dein Brief erinnerte an die schöne, vergangene Jugend, an Dich, mein bester Kamerad und an die nahe, hoffentlich glückliche Zeit, die ich meinem Lebensberuf widmen möchte. Nun dauert es nur noch 4 Monate.

Es kling wie eine Sage
noch 120 Tage.

Ja, dann kommt ein arbeitsreicher, froher Lebensabschnitt. Du meinst ich könnte Herrn Kirste von hier einmal schreiben? Ich werde es im Laufe dieser Woche tuen. Wie ich mich freue einmal planmäßig aufzubauen, wieder mit dem Kopf arbeiten zu können.

Ich glaube, ich habe jetzt die richtige Vorbereitung. Ich schrieb Dir ja schon, daß auf meiner Stube alle

Abiturienten sind. Alle haben andere Erziehung, alle andere Meinungen, da platzen denn oft die Gesinnungen und Ideen aufeinander. Es gibt bei uns Gott sei Dank keinen Stumpfsinn mehr. Wir haben oft interessante Diskussionen. Thema: Erziehung, Wehrdienst, Ehe, Frauen, Religion, Beruf usw. Man kann nur immer lernen. Das sind denn nun unsere Freuden.

Soest ist nett, es gibt mehr Vergnügungsmöglichkeiten als in Iserlohn, trotzdem muß ich feststellen dass wir solider geworden sind. Pfingsten bin ich doch überhaupt nicht aus gewesen. Heute ist schon der zweite Sonntag den ich zu Hause verbringe. Frohnleichnam waren wir zum ersten Militärgottesdienst. Heute ist große Pfarrprossez Pfarrprozession.

Ich lese jetzt viel. Wir sind in einer Leihbücherei. Also alles in allem ich bin zufrieden, kenne eine Sehnsucht und die ist: Oktober.

Fräulein Marga zieht also schon bald um! Ich bin auf den neuen Hausherrn gespannt. Ja, was machen wir mit dem neuen Zimmer. Jedenfalls machen wir das Schlafzimmer in unserem jetzigen Wohnzimmer. Ich bin froh, daß wir wohnen bleiben können. Für uns ist die Wohnung günstig. Mit Tante Anna wird es zu Ende gehen? Es freut mich, dass bei Oma und Heinrich u. Schlössers alles beim Alten ist. Ich will zu Ende kommen.

Viele Grüße an alle Lieben. Dich grüßt u. küßt                    

Dein großer Junge.

 

Tolle Sache in Spanien! 1 Kamerad, 1 Oberkom. der 7. Battr. ist um’s Leben gekommen. Beim Abspannen gingen die Pferde durch.